Shining Girls (German Edition)
Eiswürfel holen?»
«Geben Sie mir nur die Blumen.» Harper schüttelt die Hand, tut den Stich ab. Es brennt höllisch. Aber es klärt die Schwerfälligkeit in seinem Kopf.
«Für Schwester Etta» steht auf der Karte, weil er sich nicht an ihren Nachnamen erinnern kann. «Elisabethanischer Saal, Congress Hotel. 20 : 00 Uhr. Meine Empfehlung. Ein Bewunderer.»
Auf dem Weg hinaus – in seiner Hand pulsiert immer noch das Gift – zögert er bei dem Juwelierladen und kauft das mit Glücksbringern behängte Silberarmband aus dem Schaufenster. Eine Belohnung, falls sie auftaucht. Dass es zu einem Armband passt, das schon an seiner Wand hängt, ist Zufall, sagt er sich.
Als er kommt, sitzt sie schon am Tisch und sieht sich neugierig um, die Hand umkrampft ihre Handtasche auf dem Schoß. Sie trägt ein beigefarbenes Kleid, das ihrer Figur schmeichelt, auch wenn es ein bisschen eng um die Arme ist, was ihn denken lässt, dass sie sich das Kleid ausgeliehen hat. Sie hat ihr kastanienbraunes Haar kürzer schneiden und in Wasserwellen legen lassen. Sie wirkt amüsiert, als sie sieht, dass er es ist. Ein Pianist klimpert eine süße, nichtssagende Melodie, während die Band Aufstellung nimmt.
«Ich wusste, dass du es bist», sagt sie mit einem ironischen Zucken um den Mund.
«Wirklich?»
«Allerdings.»
«Ich dachte, ich versuche einfach mal mein Glück.» Und dann, weil er sich nicht beherrschen kann: «Wie geht es deinem Gentleman-Freund?»
«Der Arzt? Er ist verschwunden. Wusstest du das nicht?» Ihre Augen glitzern im gelblichen Licht der Kronleuchter.
«Glaubst du, dann hätte ich so lange gewartet?»
«Die Leute erzählen, er hätte eine junge Frau geschwängert und wäre mit ihr abgehauen. Oder dass er sich beim Spielen Ärger eingehandelt hat.»
«Kommt vor.»
«Dieser Mistkerl. Ich wünschte, er wäre tot.»
Der Kellner bringt Limonade mit Schuss, für den Harper extra bezahlt hat. Es schmeckt zu scharf. Er muss sich beherrschen, um den Schluck nicht auf den Tisch zu spucken.
«Ich habe dir etwas mitgebracht.» Er zieht die kleine Samtbox des Juweliers heraus und schiebt sie über den Tisch.
«Da habe ich ja richtig Glück gehabt, was?» Sie greift nicht nach dem Geschenk.
«Mach es auf.»
«Na gut.» Sie nimmt das Armband aus der Schachtel und hält es ins Kerzenlicht. «Wofür ist das?»
«Du interessierst mich.»
«Du willst mich nur, weil du mich bis jetzt nicht gekriegt hast.»
«Vielleicht. Vielleicht habe ich ja auch diesen Arzt umgebracht.»
«Wirklich?» Sie legt das Armband um ihr Handgelenk und streckt es ihm entgegen, damit er es zumacht, wobei sie die Hand zurückbiegt, sodass die Sehne scharf zwischen dem feinen Netz aus Blutadern unter ihrer Haut hervortritt. Sie macht ihn unsicher. Sein Charisma wirkt bei ihr nicht so wie bei den anderen.
«Danke. Willst du tanzen?», sagt sie.
«Nein.» Die anderen Tische füllen sich. Die Frauen sind mit Pailletten- und Trägerkleidern besser und gewagter angezogen. Die Männer tragen ihre Anzüge mit vulgärer Selbstsicherheit. Es war ein Fehler hierherzukommen.
«Dann gehen wir doch in dein Haus.»
Das ist ein Test, wird ihm klar. Für sie genauso wie für ihn. «Bist du sicher?», fragt er. Seine Hand pocht vor erinnertem Schmerz an den Stich der Biene.
Er nimmt mit ihr den längeren Weg, sodass die Straßen nicht so voll sind, obwohl sie wegen ihrer Absätze jammert und schließlich die Schuhe samt Seidenstrümpfen auszieht und barfuß weitergeht. Die letzten paar Blocks legt er ihr die Hand über die Augen und führt sie am Arm. Ein alter Mann wirft ihnen einen misstrauischen Blick zu, aber da küsst Harper Etta auf den Kopf. Siehst du, sagt er damit, das ist einfach ein Spiel unter Liebenden. Und das stimmt auch, auf eine gewisse Art.
Er hält ihr weiter die Augen zu, während er den Schlüssel ins Schloss steckt, und hilft ihr, sich unter den gekreuzten Brettern hindurchzubeugen.
«Was geht hier vor?», fragt sie kichernd. An ihrem leise keuchenden Atmen hört er, dass sie erregt ist.
«Du wirst schon sehen.»
Er schließt die Tür hinter ihnen ab, bevor er sie etwas sehen lässt, dann geht er mit ihr zum Salon, vorbei an den dunklen Flecken auf den narbigen, zerschrammten Flurdielen.
«Das ist ja sehr nobel», sagt sie und lässt ihren Blick über die Einrichtung schweifen. Sie erspäht die Whiskeykaraffe, die er aufgefüllt hat. «Sollen wir etwas trinken?»
«Nein», sagte er und fasst nach ihren
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