Shining Girls (German Edition)
kriegen. Aber es gibt eine Vorgehensweise einzuhalten.
Kirby verfälscht die Aussagen mit all diesen Spekulationen, mit denen sie die Zeugen durcheinanderbringt. Ja, das Opfer wurde erstochen und hat mehrere Schlitzwunden im Bauch- und Beckenbereich. Das haben die Fälle gemeinsam. Aber es wurde kein Gegenstand bei der Leiche hinterlassen. Der Modus Operandi war ganz anders als bei dem Angriff auf sie. Keine Fesseln. Kein Hinweis darauf, dass es im Voraus geplant war. Und es tut ihm leid, wenn er es so direkt sagt, aber dieser Angriff war dilettantisch im Vergleich zu dem, was ihr passiert ist. Sogar schlampig. Ein Killer, der erst am Anfang steht. Es war ein grauenvolles Gelegenheitsverbrechen. Sie schließen einen Nachahmungstäter nicht aus. Und genau aus diesem Grund hat sich die Polizei so bedeckt gehalten, weil sie nicht noch weitere Nachahmungstaten auslösen wollen, und bitte haben Sie Verständnis dafür, dass er ganz inoffiziell hier und diese Besprechung vertraulich zu behandeln ist.
Jin-Sook wurde tatsächlich erstochen. Aber es gibt viele Messermorde. Kirby muss den Polizisten zutrauen, dass sie ihren Job machen. Und das werden sie auch. Sie soll bitte
ihm
vertrauen.
Dann entschuldigt sich Harrison zehn Minuten lang bei Detective Amato, während der Detective unruhig wird und eindeutig gehen will, nachdem er losgeworden ist, was er zu sagen hatte, aber Harrison betont, dass Kirby keine offizielle Angestellte ist und dass die
Sun-Times
die Arbeit der Polizei von Chicago selbstverständlich immer unterstützt hat, und wenn es irgendetwas gibt, was er tun kann, hier ist seine Karte, dann rufen Sie jederzeit an.
Beim Hinausgehen drückt der Cop Kirby die Schulter. «Wir kriegen ihn.» Aber sie versteht nicht, wie sie das beruhigen soll, nachdem sie ihn schließlich bis jetzt nicht gekriegt haben.
Harrison sieht sie gespannt an, wartet darauf, dass sie etwas sagt. Und dann legt er los.
«Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?»
«Es stimmt. Ich hätte mich besser vorbereiten sollen. Ich wollte zu ihr, solange die Eindrücke noch frisch waren. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so falsch herauskommt …» Ihr Bauch krampft sich zusammen. Sie fragt sich, ob Rachel damals genauso ausgesehen hat wie Mrs. Au.
«Das ist jetzt nicht der passende Moment, um dich zu verteidigen», wütet Harrison. «Du hast diese Zeitung in Misskredit gebracht. Du hast unser Verhältnis zur Polizei geschädigt. Du hast möglicherweise die Ermittlungen in einem Mordfall beeinträchtigt. Du hast eine untröstliche alte Dame durcheinandergebracht, der dieser Scheiß von dir gerade noch gefehlt hat.
Und du hast dein Aufgabengebiet überschritten
.»
«Ich wollte nicht darüber schreiben.»
«Das ist mir egal. Du berichtest über Sport. Du rennst nicht durch die Gegend und interviewst die Familien von Mordopfern. Dazu haben wir erfahrene, sensible, echte Kriminalreporter. Du steckst deine Nase keinen Zentimeter mehr aus deiner Abteilung heraus. Hast du mich verstanden?»
«Aber den Artikel, den ich über Naked Raygun geschrieben habe, hast du doch auch gedruckt.»
«Was?»
«Die Punk Band.»
«Willst du mich in den Wahnsinn treiben?» Harrison ist fassungslos. Dan schließt mit schmerzerfüllter Miene die Augen.
«Es wäre eine gute Story», sagt sie dickköpfig.
«Was wäre eine gute Story?»
«Ungelöste Mordfälle und ihre Nachwirkungen. Aus einem tragischen, individuellen Blickwinkel. Das ist Pulitzerstoff.»
«Ist sie immer so unmöglich?», erkundigt sich Harrison bei Dan, aber sie weiß, dass er über die Idee nachdenkt.
Allerdings spielt Dan nicht mit. «Vergiss es. Keine Chance.»
«Interessant ist es schon», meint Harrison. «Sie müsste es zusammen mit einem erfahrenen Reporter machen. Vielleicht mit Emma oder Richie.»
«Sie wird es nicht machen», sagt Dan mit fester Stimme.
«Hey. Ich kann für mich selbst sprechen.»
«Du bist
meine
Praktikantin.»
«Dan! Was soll das, verdammt!» Kirby schreit beinahe.
«Genau das meine ich, Matt. Sie ist ein Nervenbündel. Willst du einen richtigen Skandal? Schlagzeile bei der
Tribune
: Jungreporterin rastet aus. Chefredakteur wird für Nervenzusammenbruch verantwortlich gemacht. Mutter des Mordopfers mit Schock ins Krankenhaus eingeliefert. Koreanisch-amerikanische Gemeinde empört. Mordermittlungen in der Stadt um zwanzig Jahre zurückgeworfen.»
«Okay, okay, ich hab’s verstanden.» Harrison wedelt mit der Hand, als würde er eine Fliege
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