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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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doch sie bohren sich ihren Weg in seinen Kopf, lästig wie Flohstiche. Nach einer Phase wirrer Fieberträume, die nach seiner Einschätzung tagelang gedauert hat, hievt er sich aus dem Bett und hinkt unbeholfen die Treppe hinunter.
    Sein Kopf fühlt sich so schwer an wie in Terpentin eingeweichtes Brot. Die Stimme ist verschwunden, aufgehoben in diesem Moment blendender Klarheit. Die Totems strecken sich, wollen nach ihm greifen, als er an dem Zimmer vorbeihinkt. Noch nicht, denkt er. Er weiß, was zu tun ist, aber jetzt krampft sich sein Magen um die Leere in seinem Inneren.
    Der glänzende Kühlschrank ist leer, abgesehen von einer Flasche Champagner und einer Tomate, die langsam anfängt, sich zu zersetzen, genau wie die Leiche im Flur. Sie hat sich grünlich verfärbt, und schwach macht sich ein süßlicher Verwesungsgeruch bemerkbar. Aber die Glieder, die zwei Tage zuvor noch steif wie Holz waren, sind nun weich und schlaff. So ist es einfacher, den Körper zu bewegen, um an den Truthahn zu kommen. Er muss sogar keinen einzigen Finger brechen, um ihn aus dem Griff des toten Mannes zu lösen.
    Mit Seife wäscht Harper die Blutkruste von dem Vogel ab. Dann bereitet er ihn mit zwei alten Kartoffeln zu, die er in einer Küchenschublade findet. Mr. Bartek hatte offensichtlich keine Frau.
    Die einzige Schallplatte, die er entdeckt, ist die auf dem Grammophon, also zieht er es auf und spielt sich zur Gesellschaft dieselben Lieder noch einmal vor. Er isst gierig, sitzt dabei vor dem Kamin, verzichtet auf Besteck, reißt die Fleischstücke mit den Händen ab. Er spült sie mit Whiskey hinunter, füllt das Glas bis zum Rand, hält sich nicht mit Eis auf. Ihm ist warm, und er hat Essen im Bauch, und die angenehme Benommenheit des Alkohols im Kopf zusammen mit der heiteren Musik scheinen die Gegenstände zum Schweigen zu bringen.
    Als die Kristallkaraffe leer ist, holt er sich den Champagner und kippt ihn direkt aus der Flasche hinunter, bis auch sie leer ist. Betrunken sitzt er da, die abgenagten Knochen des Truthahns hat er neben sich auf den Boden geworfen, er reagiert nicht auf das Kratzen des Grammophons, dessen Nadel sinnlos hinter dem Ende der Rille herumfährt, bis das Bedürfnis zu pissen ihn widerstrebend zum Aufstehen zwingt.
    Auf dem Weg zur Toilette taumelt er gegen die Couch, und ihre Klauenfüße scharren über die Dielenbretter und verfangen sich im Teppich, sodass die Ecke eines ramponierten blauen Koffers sichtbar wird, der unter die Couch geschoben worden ist.
    Er stützt sich auf die Armlehne, beugt sich hinunter, zieht den Koffer am Griff heraus und versucht ihn auf das Polster zu heben, um ihn besser in Augenschein nehmen zu können. Aber er ist benebelt, und seine Finger sind fettig, also entgleitet ihm der Koffer, und der billige Schnappverschluss öffnet sich, sodass der Inhalt auf den Boden fällt: bündelweise Geld, zerstreute gelbe und rote Spiel-Jetons aus Bakelit und ein schwarzes Kontobuch voller hineingesteckter farbiger Papiere.
    Harper geht fluchend auf die Knie, sein erster Impuls ist, alles wieder in den Koffer zu stopfen. Die Geldbündel sind so dick wie Kartenstapel. Fünf-Dollar-Scheine, Zwanzig-Dollar-Scheine, Hundert-Dollar-Scheine, die mit Gummis zusammengehalten werden, und fünf Fünftausend-Dollar-Scheine, die seitlich im aufgerissenen Futter des Koffers stecken. Es ist mehr Geld, als er jemals gesehen hat. Kein Wunder, dass irgendwer Bartek den Schädel eingeschlagen hat. Aber warum hat derjenige dann nicht nach dem Geld gesucht? Sogar durch den Alkoholnebel ist ihm klar, dass das keinen Sinn ergibt.
    Er betrachtet die Geldscheine genauer. Sie sind nach Nennwert geordnet, aber es gibt verschiedene Varianten, die sich alle etwas unterscheiden. Es ist die Größe, denkt er, während er die Scheine prüfend in der Hand hält. Das Papier, die Druckfarbe, winzige Verschiedenheiten in der Anordnung der Abbildungen und des Textes über gesetzliche Zahlungsmittel. Es dauert eine Weile, bis ihm das Seltsamste daran auffällt. Die Ausgabedaten stimmen nicht.
Genauso wenig wie der Ausblick aus dem Fenster
, denkt er und versucht sofort, diesen Gedanken wieder zu verdrängen. Vielleicht war dieser Bartek ein Geldfälscher, überlegt er vernünftig. Oder ein Requisitenmacher fürs Theater.
    Er wendet sich den farbigen Papieren zu. Wettscheine. Mit Daten, die zwischen 1929 und 1952 springen. Arlington Racetrack. Hawthorne. Lincoln Fields. Washington Park. Alles Gewinnzettel. Nichts zu

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