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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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französischen Akzent vergaß. Doch sie fasste sich schnell und überspielte wieder ihre breite Bostoner Aussprache. «Das ist un’einmlisch nett von Innen. ’aben Sie die Show gesehen? ’at Sie Innen gefallen?»
    «Sie war nicht mein Geschmack», gab er zurück, einfach, weil er die Enttäuschung in ihren Augen aufflackern sehen wollte, bevor Schmerz und Überraschung die Oberhand gewannen. Sie auszuschalten war keine große Sache. Und falls sie schrie – er war nicht sicher, denn seine Welt hatte sich auf einen Punkt verengt, als würde er durch den Sichtschlitz einer Peepshow spähen –, kam niemand gerannt, um festzustellen, was da vor sich ging.
    Danach, als er sich bückte, um sein Messer an ihrem Mantel abzuwischen, bemerkte er kleine Bläschen, die sich schon auf der zarten Haut unter ihren Augen, um ihren Mund, ihre Handgelenke und an ihren Hüften gebildet hatten. Vergiss das nicht, ermahnte er sich durch das Summen in seinem Kopf. Sämtliche Einzelheiten. Alles.
    Er ließ ihr das Geld, ihre jämmerliche Ausbeute, nur Ein- und Zwei-Dollar-Scheine, aber er nahm die Schmetterlingsflügel, die sie in ein Unterhemd gewickelt hatte, bevor er davonhinkte, um seine Krücke aus dem Versteck hinter den Mülltonnen zu holen.
    Zurück im Haus ging er nach oben und duschte lange, wusch seine Hände wieder und wieder, bis sie rosa und empfindlich waren, weil er sich vor der Vergiftung fürchtete. Er weichte das Jackett in der Badewanne ein, dankbar, dass es dunkel genug war, um Blutflecken nicht auffallen zu lassen.
    Dann ging er in das Zimmer und hängte die Flügel an den Bettpfosten. Wo die Flügel schon am Bettpfosten hingen.
    Zeichen und Symbole. Wie der leuchtende grüne Mann, der einem erlaubt, über die Straße zu gehen.
    Keine Zeit außer der Gegenwart.

Kirby
    2 . März 1992
    Die Achsen der Korruption werden mit Donut-Glasur geschmiert. Donuts sind es nämlich, die Kirby besorgen muss, um an die Unterlagen zu kommen, für deren Durchsicht sie nun wirklich keinen glaubwürdigen Vorwand hat.
    Die Mikrofiches in der Chicago Library hat sie schon komplett ausgewertet, hat sich vor dem ratschenden Gerät durch zwanzig Jahre Berichterstattung der Zeitungen gelesen, die auf Filmspulen in katalogisierten Einzelboxen in Schubladen aufbewahrt wurden.
    Aber die Archivsammlung der
Sun-Times
reicht weiter zurück, und das Team dort kann Querverbindungen herstellen, die an eine Geheimwissenschaft grenzen. Marissa mit der Katzenbrille und den todschicken Röcken, die heimlich auf Grateful Dead steht, Donna, die es um jeden Preis vermeidet, anderen in die Augen zu sehen, und Anwar Chetty, auch Chet genannt, dem das strähnige schwarze Haar ins Gesicht fällt, der einen riesigen, die halbe Hand bedeckenden silbernen Vogelschädel-Ring trägt, dessen Garderobe nur Schwarzschattierungen aufweist und der immer einen Comic bei sich hat.
    Sie sind allesamt Sonderlinge, aber Kirby kommt am besten mit Chet zurecht, weil er so unglaublich schlecht zu ihm passende Sehnsüchte hat. Er ist klein und etwas rundlich, und sein indischer Teint wird sich niemals in das Fischbauchweiß seines selbst gewählten Popkultur-Stamms verwandeln. Sie fragt sich unwillkürlich, wie tough es in der schwulen Gothic-Szene zugeht.
    «Das ist kein Sport», stellt Chet mit den Ellbogen auf dem tresenartigen Schalter des Archivs das Offensichtliche fest.
    «Nein, aber das sind Donuts …», sagt Kirby, klappt den Deckel der Schachtel auf und dreht sie zu ihm um. «Und Dan hat gesagt, ich darf.»
    «Meinetwegen», sagt er und sucht sich einen aus. «Ich mache es, weil es eine Herausforderung ist. Erzähl Marissa nicht, dass ich den mit Schokolade genommen hab.»
    Er geht nach hinten und kommt ein paar Minuten später mit Zeitungsausschnitten in braunen Hüllen wieder. «Wie gewünscht. Sämtliche Artikel von Dan. Mit dem Alle-Frauenmorde-mit-Stichwaffen-der-letzten-dreißig-Jahre dauert’s ein bisschen länger.»
    «Ich warte», sagt Kirby.
    «Dauert länger wie in ‹Das kostet mich ein paar Tage›. Das ist eine ziemliche Bitte. Allerdings habe ich dir das Naheliegendste schon herausgesucht. Hier.»
    «Danke, Chet.» Sie schiebt ihm die Donut-Schachtel hin, und er nimmt sich noch einen. Der Tributzoll. Sie nimmt die Ausschnitte und verschwindet in einen der Konferenzräume. Auf der Tafel vor der Tür steht kein geplanter Termin, also rechnet sie damit, hier in Ruhe ihre Ausbeute durchsehen zu können. Und eine halbe Stunde klappt das auch, dann

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