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Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
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für diesen Mist.
    Die Erschöpfung ist wie weggeblasen, als sie aus dem Augenwinkel sieht, wie er das Messer aus seinem Sportjackett zieht. Überrascht dreht sie sich um und verschafft ihm so die Möglichkeit, ihr die Klinge in den vollkommen ungeschützten Bauch zu rammen. Keuchend krümmt sie sich nach vorn. Er zieht das Messer heraus, und ihre Beine geben nach wie eine schlechte Schweißnaht.
    «Nein!», schreit sie, wütend auf ihn und ihren Körper, der sie im Stich lässt. Sie packt ihn am Gürtel und zieht ihn zu sich herunter. Er kämpft, um wieder mit dem Messer auszuholen, und sie boxt ihn so hart an die Kopfseite, dass sie seinen Kiefer ausrenkt und sich drei Finger bricht. Die Knöchel knacken wie Popcorn auf dem Herd.
    «’u ’otze!», brüllt er, kann die Konsonanten nicht mehr richtig aussprechen, weil sein Kiefer schon anschwillt wie eine Orange. Sie packt ihn am Haar, rammt sein Gesicht auf den Boden, versucht, auf ihn zu kommen.
    Panisch sticht er sie unter die Achselhöhle. Es ist ein unbeholfener Angriff, nicht tief genug, um ihr Herz zu erreichen, doch sie schreit auf und zuckt instinktiv weg, die Hand auf die Seite gedrückt. Er nutzt die Gelegenheit und rollt sich auf sie, drückt ihre Schultern mit den Knien in den Dreck. Zora mag gebaut sein wie ein Ringer, aber sie hat nie im Ring gekämpft.
    «Ich habe Kinder», sagt sie, und die Stichwunde in ihrer Seite schmerzt so, dass sie schluchzt. Er hat eine Lunge getroffen, und Blutblasen treten über ihre Lippen.
    Sie hat noch niemals solche Angst gehabt. Nicht einmal, als sie vier Jahre alt war und wegen der Rassenunruhen in der ganzen Stadt Krieg herrschte und ihr Vater sie in seinen Mantel wickelte und auf die Arme nahm, um loszurennen, weil sie Schwarze aus den Straßenbahnen zerrten und sie an Ort und Stelle totschlugen.
    Nicht einmal, als sie dachte, Martin, der so zart und fünf Wochen zu früh geboren war, würde sterben, und sie sich mit ihm eingeschlossen und alle anderen weggeschickt hat, weil das die einzige Art war, wie sie es ertragen konnte, Minute für Minute vier Monate lang, bis sie ihn durchgebracht hatte.
    «Sie wachen jetzt gerade auf», japst sie unter Schmerzen. «Nella macht den Kleinen das Frühstück … zieht sie für die Schule an … auch wenn Martin versucht, es allein zu schaffen – aber er verwechselt immer den rechten und den linken Schuh.» Schluchzen und Husten vermischen sich. Sie ist hysterisch, das ist ihr bewusst, sie windet sich. «Und die Zwillinge … die beiden leben in ihrer eigenen Welt.» Sie bekommt ihre Gedanken nicht unter Kontrolle. «Das ist zu viel Verantwortung für Nella ganz allein … Das schafft sie nicht. Ich bin erst … achtundzwanzig … Ich muss sie aufwachsen sehen. Bitte …»
    Harper schüttelt stumm den Kopf und lässt das Messer niederfahren.
     
    Er steckt ihr die Baseballkarte in eine Tasche ihres Overalls. Jackie Robinson, Feldspieler bei den Brooklyn Dodgers. Die Karte hat er neulich von Jin-Sook Au mitgenommen. Leuchtende Sterne, die über die Zeiten hinweg miteinander verbunden sind. Eine Konstellation des Mordens.
    Er tauscht die Karte gegen das metallene «Z» in Cooper-Black-Schrifttype, das sie wie einen Talisman mit sich herumgetragen hat. Ihr Daddy hatte den ausrangierten Buchstaben eines Tages von seiner Arbeit als Schriftsetzer beim
Defender
mitgebracht. «Haben für das Gute gekämpft», erklärte er seinen Kindern, während er jedem einen Buchstaben hinlegte, auf deren Unterseite der Name der Schriftgießerei Barnhart Brothers & Spindler eingeprägt war. Die Firma war inzwischen pleite. «Man kann den Fortschritt nicht aufhalten», hatte ihr Daddy gesagt.
    Für Zora ist der Krieg vorbei. Der Fortschritt wird ohne sie weitergehen.

Kirby
    13 . April 1992
    «Hey, Praktikantin.» Vor ihrem Schreibtisch steht Matt Harrison mit einem älteren Gentleman im blauen Anzug, der aussieht wie der hippe Großvater von irgendwem.
    «Hey, Chef.» Beiläufig schiebt Kirby einen Ordner über den Brief, den sie an die Anwältin von Julia Madrigals vermeintlichen Teenager-Mördern schreibt. Gemeinsame Verteidigung, das verrät einem was – dass sie sich nämlich nicht gegenseitig beschuldigt haben, um ihr Strafmaß zu verkürzen.
    Sie sitzt an einem Schreibtisch der Kulturredaktion, weil Dan so oft weg ist, dass er überhaupt keinen eigenen Schreibtisch hat, den sie mit ihm teilen könnte. Eigentlich sollte sie nach dem Sieg der Cubs sämtliche Informationen über

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