Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shining Girls (German Edition)

Shining Girls (German Edition)

Titel: Shining Girls (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Beukes
Vom Netzwerk:
Saiten gespannt. Er hat versucht, nicht in das Zimmer zu gehen, hat unten auf der Couch geschlafen, aber in letzter Zeit ertappt er sich dabei, dass er wie im Schlaf die Treppen hinaufgeht, um sich an die Tür zu stellen und die Gegenstände zu beobachten. Bald wird er wieder aufbrechen müssen.
    Und in der Zwischenzeit klimpert das Nutzvieh gegenüber am Tisch mit den Wimpern und versucht, sich gegenseitig mit affektiertem Lächeln zu übertrumpfen.
    Etta entschuldigt sich, um ihren «Lippenstift nachzuziehen», und die Irin rutscht um den Tisch neben ihn. Sie drückt ihr Knie an seines.
    «Sie sind eine echte Entdeckung, Mr. Curtis. Erzählen Sie mir alles über sich.»
    «Was wollen Sie denn wissen?»
    «Wo Sie aufgewachsen sind. Ihre Familie. Waren Sie je verlobt oder verheiratet? Wie haben Sie Ihr Geld verdient? Das übliche eben.»
    Er kann sich nicht verhehlen, dass ihn die Unverblümtheit ihrer Fragen fasziniert. «Ich habe ein Haus.» Er ist in leichtsinniger Stimmung, und sie ist so betrunken, dass sie froh sein kann, wenn sie sich morgen noch an ihren eigenen Namen erinnert, ganz zu schweigen von seinen merkwürdigen Verlautbarungen.
    «Ein Hausbesitzer.» Sie ist begeistert.
    «Es öffnet sich in andere Zeiten.»
    Sie ist verwirrt. «Was tut es?»
    «Das Haus, Süße. Das bedeutet, dass ich die Zukunft kenne.»
    «Faszinierend», schnurrt sie und glaubt ihm kein Wort, will ihn aber wissen lassen, dass sie bereit ist mitzuspielen. Und zwar bei viel mehr als einem Märchen, falls er Lust dazu hat. «Dann erzählen Sie mir doch mal was Ungewöhnliches.»
    «Es wird noch einen großen Krieg geben.»
    «Oh, wirklich? Muss ich mir Sorgen machen? Können Sie mir meine eigene Zukunft vorhersagen?»
    «Nur, wenn ich Sie ganz für mich öffnen kann.»
    Sie versteht es falsch, das hat er vorher gewusst. Sie ist etwas verlegen, aber auch aufgeregt. Es ist alles so vorhersagbar. Sie fährt mit dem Zeigefinger über ihre Unterlippe und das kleine Lächeln, das dort entsteht. «Nun, Mr. Curtis, möglicherweise bin ich dafür zugänglich. Oder kann ich Sie Harper nennen?»
    «Was machst du da?», unterbricht sie Etta. Sie hat vor Wut rote Flecken im Gesicht.
    «Wir unterhalten uns nur, Schätzchen.» Molly grinst. «Über den Krieg.»
    «Du Luder», sagt Etta und kippt der Lehrerin ihren Teller mit Spaghetti über den Kopf. Sauce und Hackfleisch laufen ihr in die Augen, Tomaten- und Knoblauchstückchen bleiben zusammen mit feuchten Spaghettifäden in ihrem Haar hängen. Harper lacht überrascht auf.
    Der Kellner eilt mit Servietten heran und hilft ihr, sich abzuwischen. «
Caspita
! Ist alles in Ordnung?»
    Molly zittert vor Wut und Beschämung. «Lassen Sie ihr das durchgehen?»
    «Sieht so aus, als wäre sie schon damit durch», sagt Harper. Dann wirft er ihr seine Leinenserviette hin. «Machen Sie sich ein bisschen sauber. Sie sehen katastrophal aus.» Er drückt dem Kellner einen Fünf-Dollar-Schein in die Hand, bevor er sie auffordern kann zu verschwinden. Seine Laune hat sich gebessert. Er hält Etta den Arm hin. Ihre Miene erhellt sich triumphierend, und Molly bricht in Tränen aus.
    Harper und Etta spazieren aus dem Restaurant in die Nacht. Die Straßenlampen werfen trübe Lichtkegel, und es ergibt sich irgendwie von selbst, dass sie trotz der Kälte zum See hinuntergehen. Hoher Schnee liegt auf dem Gehweg, die kahlen Zweige der Bäume heben sich wie ein Gewirr aus Spitze gegen den Himmel ab. Die niedrigen Gebäude am Ufer stehen dicht aneinander, wie um einen Damm gegen das Wasser zu bilden. Die Stufen des Buckingham-Brunnens sind weiß überfroren, die riesigen Bronze-Seepferde stemmen sich bewegungslos gegen das Eis.
    «Das sieht aus wie Zuckerguss», sagt Etta. «Wie eine Hochzeitstorte.»
    «Sie sind nur böse, weil wir vor dem Nachtisch gegangen sind», gibt Harper bemüht scherzhaft zurück.
    Ihre Miene verdüstert sich bei dieser Erinnerung an Molly. «Sie hatte es verdient.»
    «Ganz bestimmt. Ich könnte Molly umbringen.» Er testet sie.
    «Ich würde sie lieber selber umbringen. Dieses Luder.» Sie reibt ihre bloßen Hände und bläst auf ihre rissigen Finger. Dann greift sie nach seiner Hand. Harper zuckt zusammen, aber sie stützt sich nur ab, um auf den Brunnen zu steigen.
    «Kommen Sie auch hoch», sagt sie. Und nach kurzem Zögern klettert er ihr mühsam nach. Sie geht vorsichtig durch den Schnee, rutscht übers Eis zu einem der grün angelaufenen Seepferde und stellt sich geziert davor. «Wie

Weitere Kostenlose Bücher