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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gedacht hatte, wusste er nicht genau, aber ein Grund, warum er diesen Einkauf heute selbst hatte tätigen wollen, war, dass er anschließend in das kleine Büro über Franks Bar und Grill hatte gehen können, in dem ein Anwalt seine Praxis eingerichtet hatte (der Zahnarzt, der noch im letzten Jahr dort gewesen war, hatte wohl Pleite gemacht), ein junger Schwarzer namens McIver. Hallorann hatte diesen McIver aufgesucht, ihm erzählt, dass er sein Testament machen wolle, und gefragt, ob McIver ihm helfen könne. McIver hatte nur gefragt, wann das Dokument vorliegen müsse. Gestern, hatte Hallorann gesagt, den Kopf zurückgeworfen und gelacht. Geht es um irgend etwas Kompliziertes? war McIvers nächste Frage gewesen, die Hallorann verneinen musste. Er hatte seinen Cadillac, sein Bankkonto – vielleicht neuntausend Dollar –, ein Sparkonto mit einer lächerlich geringen Einlage und einen Schrank voll Kleider. Das alles sollte seine Schwester bekommen. Und wenn Ihre Schwester nun vor Ihnen stirbt? hatte McIver gefragt. Das würde nichts ausmachen, hatte Hallorann geantwortet, dann würde er eben ein neues Testament machen. Das Ganze hatte drei Stunden gedauert – schnelle Arbeit für einen Winkeladvokaten –, und jetzt steckte das Dokument in einem steifen blauen Umschlag in Halloranns Brusttasche.
    Er wusste selbst nicht, warum er ausgerechnet an diesem schönen, sonnigen Tag etwas erledigt hatte, was schon vor Jahren hätte erledigt werden müssen. Zumal er sich heute so gut fühlte. Aber er hatte einen Impuls dazu verspürt und nicht nein gesagt. Er folgte eben seinen Eingebungen.
    Er hatte die Stadt hinter sich gelassen. Er hatte auf verbotene sechzig Meilen aufgedreht und fuhr auf der linken Spur, um später in Richtung Petersburg abzubiegen. Er wusste aus Erfahrung, dass die Limousine auch noch bei neunzig wie ein Brett auf der Straße lag, und selbst bei hundertzwanzig hatte man noch kein ungemütliches Gefühl. Aber er raste nicht mehr. Der Gedanke, selbst auf einer geraden Strecke hundertzwanzig zu fahren, erschreckte ihn. Er wurde alt.
    (Mein Gott, die Orangen riechen aber kräftig. Ob verfaulte dabei sind?)
    Insekten knallten gegen die Scheibe. Er stellte einen Soul-Sender aus Miami ein und hörte die leise, klagende Stimme Al Greens
     
    »What a beautiful time we had together,
    Now it’s getting late and we must leave each other …«
     
    Er ließ das Fenster herab und warf seine Zigarette nach draußen. Er ließ es offen, um den Orangengeruch loszuwerden. Er trommelte mit den Fingern auf das Steuer und summte die Melodie mit. Seine am Rückspiegel aufgehängte St. Christophorus-Medaille schwang hin und her.
    Und plötzlich wurde der Orangengeruch intensiver, und er wusste, dass etwas kam. Etwas kam auf ihn zu. Im Rückspiegel sah er, wie seine Augen sich vor Überraschung weiteten. Und dann brach es über ihn herein, wie ein gewaltiger Schwall, der alles andere auslöschte: die Musik, die Straße vor ihm, seine Vorstellung von sich selbst als einzigartigem Individuum. Es war, als hätte jemand eine psychische Kanone Kaliber fünfundvierzig auf seinen Kopf gerichtet und abgedrückt.
    (!!!OHDICK, OH BITTE, BITTE, BITTE, BITTE, KOMM!!!)
    Die Limousine war jetzt auf gleicher Höhe mit einem Pinto-Kombiwagen, den ein Mann in Arbeitskleidung steuerte. Der Arbeiter sah, dass der Cadillac im Begriff war, ihm den Weg abzuschneiden, und hupte. Aber der Fahrer des Cadillac reagierte nicht. Der Arbeiter sah einen großen Schwarzen aufrecht am Lenkrad sitzen, die Augen nach oben gerichtet. Später erzählte er seiner Frau, dass es eine der üblichen Afro-Frisuren gewesen sein musste, aber in dem Augenblick habe es so ausgesehen, als sträubte sich dem Nigger jedes einzelne Haar. Der Mann musste einen Herzanfall gehabt haben.
    Der Arbeiter stieg hart in die Bremse und hatte Glück. Hinter ihm war kein Fahrzeug. Entsetzt sah er, dass der Cadillac seine vordere Stoßstange nur um Millimeter verfehlte.
    Die Hand noch immer auf der Hupe, konnte der Arbeiter der schlingern – den Limousine gerade noch nach links ausweichen und an ihr vorbeiziehen. Er bedachte den anderen Fahrer mit einigen obszönen Flüchen und artikulierte seine Ansicht, dass alle Neger gefälligst nach Afrika zurückkehren sollten. Er äußerte seine feste Überzeugung, dass die Seele des Niggers einst in der Hölle schmoren würde, und ging sogar so weit, zu behaupten, dass er dessen Mutter aus einem Puff in New Orleans kannte.
    Dann war er auf und

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