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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihr Ende gekommen.
    Aber die Flasche traf Jack Torrance am Kopf und zersplitterte. Der Boden der Flasche war dick und hart, und das Geräusch, mit dem sie gegen seinen Schädel knallte, ähnelte dem eines Medizinballs, den man auf harten Boden wirft. Jack taumelte zurück und rollte mit den Augen. Der Griff an ihrem Hals lockerte sich, dann ließ er sie ganz los. Er streckte die Hände aus, als wollte er sich festhalten, und stürzte krachend auf den Rücken.
    Wendy holte lange und schluchzend Luft. Fast wäre sie selbst umgefallen, aber sie hielt sich an der Bar fest. Sie war kaum bei Bewusstsein. Sie hörte Danny weinen, aber sie hatte keine Ahnung, wo er war. Es hörte sich an, als weinte er in einer Echokammer. Verschwommen sah sie, dass Blut auf das dunkle Holz der Bar tropfte. Es musste von ihrer Nase sein, dachte sie. Sie räusperte sich und spuckte auf den Fußboden. Eine Schmerzwelle fuhr ihr durch die Kehle, aber dann war es nur noch ein dumpfer Druck, der gerade noch zu ertragen war.
    Ganz allmählich bekam sie sich wieder in die Gewalt.
    Sie ließ die Barkante los, drehte sich um und sah Jack ausgestreckt daliegen. Neben ihm die zersplitterte Flasche. Er sah aus wie ein gefällter Riese. Danny hockte mit beiden Händen im Mund unter dem Tisch mit der Registrierkasse und starrte seinen bewusstlosen Vater an.
    Unsicher ging Wendy zu ihm hinüber und berührte seine Schulter. Danny fuhr vor ihr zurück.
    »Danny, hör zu –«
    »Nein, nein«, murmelte er mit heiserer Männerstimme. »Daddy hat dir wehgetan … du hast Daddy wehgetan … Daddy hat dir wehgetan … ich will jetzt schlafen. Danny will schlafen.«
    »Danny –«
    »Schlafen, schlafen. Gute Nacht.«
    »New!«
    Wieder spürte sie stechenden Schmerz in der Kehle. Sie kämpfte dagegen an. Aber Danny öffnete die Augen und sah seine Mutter misstrauisch an.
    Sie zwang sich dazu, ruhig zu sprechen und sah ihn dabei unverwandt an. Ihre Stimme war leise und rau, fast ein Flüstern. Das Sprechen bereitete ihr Schmerzen. »Hör zu, Danny, es war nicht dein Daddy, der mir wehgetan hat. Und ich habe nicht ihm wehgetan. Das Hotel ist in ihn hineingefahren, Danny. Das Overlook ist in deinen Daddy gefahren. Verstehst du mich?«
    Jetzt lag wieder ein gewisses Begreifen in Dannys Augen.
    »Das schlimme Zeug«, flüsterte er. »Aber vorher war davon doch gar nichts hier?«
    »Nein. Das Hotel hat es hingestellt. Das …« Sie brach ab und bekam einen Hustenanfall. Wieder spuckte sie ein wenig Blut. Es kam ihr vor, als sei ihre Kehle auf den doppelten Umfang angeschwollen. »Das Hotel hat ihn dazu gezwungen, es zu trinken. Hast du die Leute gehört, zu denen er heute morgen sprach?«
    »Ja … die Leute vom Hotel …«
    »Ich habe sie auch gehört, und das bedeutet, dass das Hotel stärker wird. Es will uns allen wehtun. Aber ich glaube … ich hoffe, dass es das nur durch deinen Daddy tun kann. Er war der einzige, den das Hotel einfangen konnte. Verstehst du mich, Danny? Es ist so schrecklich wichtig, dass du mich verstehst.«
    »Das Hotel hat Daddy gefangen.« Er sah Jack an und seufzte hilflos.
    »Ich weiß, dass du deinen Daddy lieb hast. Ich habe ihn auch lieb. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Hotel ihm genau so wehtun will wie uns beiden.« Und davon war sie auch überzeugt. Mehr noch, dass Danny es vielleicht war, auf den das Hotel es wirklich abgesehen hatte, der Grund, warum das Hotel so weitging, vielleicht der Grund, warum es so weitgehen konnte. Es konnte sogar sein, dass Danny ihm auf irgendeine Weise durch seine Hellsichtigkeit die Kraft dazu gab, so wie eine Batterie die elektrische Ausrüstung eines Autos funktionieren lässt. Wie man mit einer Batterie einen Wagen starten kann. Wenn sie hier herauskamen, würde das Overlook vielleicht in seinen früheren halb unbewußten Zustand zurückfallen, in dem es nicht mehr tun konnte als die psychisch empfindsameren Gäste mit Spukbildern zu narren. Ohne Danny war es nicht viel mehr als ein Geisterhaus in einem Vergnügungspark, wo man Klopfen hörte oder die Phantomgeräusche einer Maskerade, und vielleicht dann und wann etwas Ungewöhnliches sah. Aber wenn es Danny … Dannys Hellsichtigkeit oder seine Lebenskraft oder seinen Geist … wie immer man es nennen wollte … in sich aufnahm – was würde es dann sein?
    Der Gedanke ließ sie frieren.
    »Ich wünschte, Daddy ginge es besser«, sagte Danny, und die Tränen fingen wieder an zu fließen.
    »Ich auch«, sagte sie und zog Danny fest an sich.

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