Shining
er es, und Entsetzen verschloss ihm die Kehle.
Kein Wolf, sondern ein Löwe. Ein Heckenlöwe.
Seine Züge bestanden aus schwarzen Schatten und Pulverschnee, die Lenden waren zum Sprung gespannt. Und er sprang auch. Unter einem Regen von Schneekristallen stieß er sich mit den Hinterbeinen ab.
Hallorann schrie auf und riss den Lenker nach rechts, wobei er sich gleichzeitig duckte. Kratzende, reißende Schmerzen liefen ihm über Gesicht, Hals und Schultern. Die Skimaske wurde hinten aufgerissen. Er wurde aus dem Schneemobil geschleudert. Er schlug auf, durchfurchte den Schnee und rollte auf den Rücken.
Er spürte, wie es auf ihn zukam. In der Nase hatte er den scharfen Geruch von Laub und Stechpalmen. Eine riesige Heckenpfote traf ihn im Nacken, und er flog drei Meter durch die Luft. Wie eine Stoffpuppe wurde er in den Schnee gewirbelt. Er sah das Schneemobil führerlos gegen die Böschung rasen und sich aufbäumen, dass die Lichtkegel in den Himmel stießen. Mit einem dumpfen Geräusch kippte es um, und der Motor starb ab.
Dann war der Heckenlöwe über ihm. Ein knackendes, raschelndes Geräusch. Irgend etwas zerriss ihm vorn den Parka. Es hätten dornige Zweige sein können, aber Hallorann wusste, dass es Krallen waren.
»Du bist nicht da!« schrie Hallorann den Heckenlöwen an, der ihn knurrend umkreiste. »Du bist überhaupt nicht da!« Mit letzter Kraft kam er auf die Füße, aber bevor er den halben Weg zum Schneemobil zurückgelegt hatte, sprang ihn der Löwe an und schlug ihm die Pranke mit den nadelspitzen Krallen über den Kopf. Hallorann sah lautlos explodierende Lichter.
»Nicht da«, sagte er noch einmal, aber es war nur noch ein kraftloses Stammeln. Seine Knie gaben nach, und er sank in den Schnee. Dann kroch er zum Schneemobil, während seine rechte Gesichtshälfte sich vom herunterlaufenden Blut rot färbte. Wieder schlug der Löwe nach ihm und rollte ihn mit Leichtigkeit auf den Rücken, wie eine Schildkröte. Hallorann unternahm einen neuen Versuch, das Schneemobil zu erreichen. Was er brauchte, stand dort. Und dann war der Löwe wieder über ihm und wollte ihn mit seinen Pranken zerfleischen.
52
WENDY UND JACK
Wendy riskierte noch einen Blick über die Schulter zurück. Jack stand auf der sechsten Stufe und klammerte sich genauso krampfhaft an das Geländer, wie sie es vorher getan hatte. Er grinste immer noch, und dunkles Blut quoll langsam aus diesem Grinsen hervor und lief ihm am Kinn herab. Er fletschte die Zähne.
»Ich schlage dir den Schädel ein, dass dein Gehirn nur so spritzt.« Er arbeitete sich noch eine Stufe höher.
Panik beflügelte sie, sie ignorierte die Schmerzen und zog sich höher. Nun war sie oben und warf einen Blick hinter sich.
Jack schien nicht schwächer zu werden, sondern eher an Kraft zu gewinnen. Er hatte nur noch vier Stufen zu bewältigen und maß mit dem Roque-Schläger in der linken Hand schon die Entfernung, während er sich mit der rechten am Geländer nach oben zog.
»Ich bin direkt hinter dir«, keuchte er durch sein blutiges Grinsen, als ob er ihre Gedanken lesen könne. »Direkt hinter dir, du Sau. Dann ist’s aus.«
Sie floh stolpernd durch den Hauptkorridor, die Hände in die Seiten gepresst.
Die Tür zu einem der Zimmer flog auf, und ein Mann in einer grünen Gespenstermaske schoss hervor. »Großartige Party, was?« schrie er ihr ins Gesicht und zog an den Wachsstreifen eines Knallbonbons. Es gab einen Knall, dessen Echo von allen Seiten zurückkam, und plötzlich trieben um sie herum lauter Luftschlangen. Der Mann in der Gespenstermaske kicherte und schlug seine Zimmertür hinter sich zu. Wendy stürzte auf den Teppich. Ihre rechte Seite schien vor Schmerzen zu explodieren, und verzweifelt kämpfte sie gegen eine drohende Bewusstlosigkeit an. Wie von weit hörte sie, dass sich der Fahrstuhl wieder in Bewegung setzte, und unter ihren gespreizten Händen schien das Teppichmuster lebendig zu werden, zu schwanken und sich biegsam zu winden.
Hinter ihr schlug der Hammer dröhnend auf, und sie stürzte weiter. Sie schaute zurück und sah Jack vorwärtsstolpern und zuschlagen, bevor er selbst auf den Teppich krachte und helles Blut auf die Noppen spuckte.
Der Schlag traf sie genau zwischen den Schulterblättern, und der Schmerz war so gewaltig, dass sie nur zucken konnte. Hilflos krampfte sie die Finger zusammen und streckte sie wieder aus. In ihr riss etwas – sie hörte es ganz deutlich, und ein paar Augenblicke lang hatte sie nur
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