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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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immer nach gründlicher Vorbereitung verteidigte. Es spielte keine Rolle, ob es um die Legalisierung von Marihuana oder um die Wiedereinführung der Todesstrafe ging, George machte sich mit der Problematik vertraut und war so wenig Chauvinist, dass es ihm gleich war, auf welcher Seite er stand – selbst bei bedeutenden Debattierern eine seltene und wertvolle Eigenschaft, wie Jack wusste. Ein Abenteurer und ein Debattierer waren verwandte Seelen: sie waren beide leidenschaftlich an ihrer großen Chance interessiert. So weit, so gut.
    Aber George Hatfield stotterte.
    In der Klasse, wo George immer kühl und gesammelt wirkte, hatte sich dieses Handicap nie gezeigt (ob er nun seine Arbeiten gemacht hatte oder nicht), und ganz gewiss nicht auf dem Sportplatz, wo Reden keine Tugend war und man wegen zu häufiger Diskussionen sogar hinausgestellt werden konnte.
    Wenn George während einer Debatte einmal richtig aufgedreht war, fing er an zu stottern. Je mehr er sich aufregte, um so schlimmer wurde es. Und wenn er einen Gegner schon fast erledigt zu haben glaubte, schien zwischen seinem Sprachzentrum und seinen Sprechwerkzeugen eine Art intellektuelles Jagdfieber zu toben, und er stand wie angefroren da, während die Zeit ablief. Der Anblick tat weh.
    »Ich g -g-glaube a-a-also, dass d -d-die v -v-von Mr. D-D-D-Dorsky z-zzitierten T-T-Tatsachen s -s -sich s -sseit der j-j-jüngsten E-E-Entscheidung erl-l-ledigt haben …«
    Wenn dann der Summer des Zeitnehmers ertönte, fuhr er herum und starrte wütend Jack an, der daneben saß. Sein Gesicht war dann immer zornrot, und in der Hand hielt er seine zusammengeknüllten Notizen.
    Selbst als George schon öfter versagt hatte, ließ Jack ihn noch nicht fallen. Er erinnerte sich an einen späten Nachmittag etwa eine Woche, bevor er endgültig das Handtuch geworfen hatte. Als die anderen gingen, war George noch geblieben und hatte sich dann ärgerlich an Jack gewandt.
    »S-Sie ha-ha-haben die U-Uhr v -v-vorgestellt.«
    Jack schaute von den Papieren auf. »George, wovon reden Sie?«
    »Ich h-h-habe n-nicht meine v-v-vollen f-fünf Minuten b-b-bekommen.«
    »Der Zeitnehmer mag ein wenig differieren, George, aber ich habe das verdammte Ding nicht angerührt. So wahr ich hier sitze.«
    »D-D-Das h-haben Sie doch g-g-getan!«
    Streitbar und in der Haltung eines Mannes, der seiner Sache sicher ist und für sein Recht eintritt, schaute George ihn an, und Jack merkte, wie seine eigene Selbstbeherrschung nachließ. Er war schon seit zwei Monaten trocken, zwei Monate zu lange, und er fühlte sich hundeelend. Er machte eine letzte Anstrengung, nicht die Beherrschung zu verlieren.
    »Ich kann Ihnen versichern, dass ich die Uhr nicht vorgestellt habe, George. Es geht um Ihr Stottern. Wissen Sie, woran das liegt? Im Unterricht stottern Sie doch nicht.«
    »Ich s -s -stottere ü -überhaupt nicht!«
    »Schreien Sie bitte nicht so. Dies muss sachlich diskutiert werden.«
    »A-ach, Sch-Scheiße! Sie w-wollen mich nnur aus dem Team raushaben!«
    »George, wenn Sie sich das Stottern abgewöhnen könnten, hätte ich Sie gern behalten. Sie haben sich für jede Übung ausgezeichnet vorbereitet, und Sie beschäftigen sich jeweils auch mit dem Hintergrund. Deshalb kann man Sie kaum je überraschen. Aber das hat alles wenig zu sagen, wenn Sie Ihr Stottern nicht unter Kontrolle –«
    »Ich h -h-habe n -n-n-noch n -nie g -gestottert!« schrie er. »Es l-liegt nnur an Ihnen. Wenn j-j-jemand anders d -das Debattier-Team l-l-leiten würde, k-könnte ich –«
    Jacks Selbstbeherrschung wurde um einen weiteren Zähler geringer.
    »George, Sie werden nie ein guter Anwalt werden, wenn es mit dem Stottern so bleibt. Die Jurisprudenz ist schließlich kein Fußball. Jeden Abend zwei Stunden Training hilft da wenig. Stellen Sie sich doch vor, Sie müssten auf einer Aufsichtsratssitzung sprechen. Wollen Sie dann sagen ›J-j-j-jetzt, m-m-meine H-Herren, k-k-kommen w-w-w-wir auf d-dd-diese u -u-unerlaubte H-H-Handlung z-z-zu sprechen‹?«
    Plötzlich wurde er rot. Nicht vor Wut, sondern vor Scham über seine Grausamkeit. Vor ihm stand kein Mann, sondern ein siebzehnjähriger Junge, der jetzt die erste schwere Niederlage seines Lebens einstecken musste, und der vielleicht nicht wusste, wie anders er denn Jack um Hilfe bitten konnte.
    George sah ihn noch einmal wütend an. Seine Lippen zuckten und mühten sich, die Worte auszusprechen, die sie nicht formen konnten.
    »Sie haben s -s -sie v -v-v-v-vorgestellt. Sie h

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