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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und krampfhaft blinzelnd auf dem Asphalt lag. Sein Debattier-Team war herausgekommen, und die Jungs standen zusammengedrängt am Eingang und starrten zu George herüber. Er hatte von einer Kopfwunde, die nicht schlimm aussah, Blut im Gesicht, aber ihm lief auch Blut aus einem Ohr, und das bedeutete wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung. Als George versuchte aufzustehen, riss sich Jack von Miss Strong los und ging hin. George zuckte hoch.
    Jack legte die Hände auf Georges Brust und drückte ihn wieder nach unten. »Bleiben Sie liegen«, sagte er. »Und bewegen Sie sich nicht.« Er wandte sich an Miss Strong, die entsetzt herüberschaute.
    »Bitte rufen Sie den Schularzt, Miss Strong«, befahl er. Sie drehte sich um und eilte ins Büro. Dann schaute er zu den Leuten des Debattier-Teams hinüber. Er sah ihnen direkt in die Augen, denn er hatte sich wieder in der Gewalt, er war wieder ganz er selbst, und wenn er er selbst war, gab es keinen netteren Kerl im ganzen Staate Vermont. Das mussten sie doch wohl wissen.
    »Sie können jetzt nach Hause gehen«, sagte er ruhig. »Wir sehen uns dann morgen wieder.«
    Aber bis zum Wochenende waren sechs Debattierer ausgeschieden, darunter die beiden besten. Das spielte natürlich keine Rolle mehr, denn zu der Zeit wusste er schon, dass auch er ausscheiden würde.
    Aber dennoch hatte er keine Flasche mehr angerührt, und das war schon etwas.
    Und er hatte George Hatfield nicht gehasst. Das wusste er ganz genau. Er hatte nicht gehandelt, sondern an ihm war gehandelt worden.
    Sie hassen mich, weil Sie wissen …
    Aber er hatte nichts gewusst. Nichts. Das konnte er bei Gott schwören, genauso wie er schwören konnte, dass er die Uhr höchstens eine Minute vorgestellt hatte. Und nicht aus Hass, sondern aus Mitleid.
    Zwei Wespen krochen träge über die Schindeln.
    Er beobachtete sie, bis sie ihre aerodynamisch ungünstigen, aber eigenartigerweise leistungsfähigen Flügel entfalteten und in die Oktobersonne hinaustaumelten, vielleicht um jemand anders zu stechen. Gott hatte ihnen Stachel verliehen, und die, so meinte Jack, mussten sie nun auch anwenden.
    Wie lange hatte er schon hier gesessen und in das Loch mit seinem unangenehmen Inhalt hineingeschaut und dabei alte Geschichten aufgewärmt? Er sah auf die Uhr. Fast eine halbe Stunde.
    Er kletterte an den Dachrand, ließ ein Bein überhängen und fand die obere Sprosse der Leiter. Er wollte in den Geräteschuppen, wo er das Insektenvertilgungsmittel außerhalb Dannys Reichweite auf ein Regal gestellt hatte. Wenn er mit ihm zurückkam, würden die Wespen die Überraschten sein. Man konnte gestochen werden, aber man konnte auch zurückstechen. In zwei Stunden würde das Nest eine leere, graue Hülle sein, und wenn er wollte, konnte Danny es sich ins Zimmer stellen – Jack hatte als Kind selbst eins gehabt, das immer leicht nach Holzrauch und Benzin roch. Er könnte es sich ans Kopfende stellen, und nichts würde passieren.
    »Es wird besser mit mir.«
    Der zuversichtliche Klang seiner Stimme an diesem stillen Nachmittag beruhigte ihn, obwohl er nicht laut hatte sprechen wollen. Es wurde besser mit ihm. Man konnte von Passivität zu Aktivität gelangen. Man konnte die Dinge, die einen fast in den Wahnsinn getrieben hatten, zum Gegenstand bloßen akademischen Interesses machen. Und wenn es einen Ort gab, wo man das tun konnte, dann war es dieser.
    Er stieg die Leiter hinab, um das Mittel zu holen. Sie würden büßen. Sie würden dafür büßen, dass sie ihn gestochen hatten.

 
15
     
    UNTEN IM VORDERHOF
     
    Jack hatte vor zwei Wochen hinten im Geräteschuppen einen riesigen weißgestrichenen Korbstuhl gefunden und ihn vors Haus geschleppt, wenn auch gegen Wendys Einwände, die gemeint hatte, er sei das hässlichste Ding, das ihr je unter die Augen gekommen sei. Jetzt saß er darin und beschäftigte sich mit einem Buch von E.L. Doctorow: Welcome to Hard Times, als seine Frau und sein Sohn mit dem Kleinlaster des Hotels die Auffahrt hochratterten.
    Wendy parkte ihn in der Kehre und ließ den Motor noch einmal aufheulen, bevor sie ihn abstellte. Jack stand aus seinem Stuhl auf und ging den beiden entgegen.
    »Hallo, Dad«, rief Danny und rannte die Auffahrt hoch. Er hatte eine Schachtel in der Hand. »Guck mal, was Mommy mir gekauft hat!«
    Jack hob seinen Sohn hoch, schleuderte ihn zweimal herum und küsste ihn auf den Mund.
    »Jack Torrance, der Eugene O’Neill dieser Generation, der amerikanische Shakespeare!« sagte Wendy

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