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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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das ganze verdammte Stück im Kasten haben.
    Er hatte eine Agentin in New York, eine quirlige, rothaarige Frau namens Phyllis Sandler, die Herbert Tareytons rauchte, Jim Beam aus dem Pappbecher trank und Scan O’Casey für einen aufgehenden Stern am Literaturhimmel hielt. Sie hatte drei von Jacks Kurzgeschichten untergebracht, einschließlich der für den Esquire. Er hatte ihr von dem Stück geschrieben, das Die kleine Schule hieß und den Grundkonflikt beschrieb zwischen Denker, einem begabten Akademiker, der zum brutalen und niederträchtigen Direktor einer Oberschule im New England der Jahrhundertwende verkommen war, und Gary Benson, in dem Jack eine jüngere Ausgabe seiner selbst erblickte. Phyllis hatte zurückgeschrieben und Interesse bekundet und ihn ermahnt, Sean O’Casey zu lesen, bevor er sich an die Arbeit mache. Er hatte später geantwortet, dass Die kleine Schule für unbestimmte Zeit – vielleicht für immer – »in jener interessanten intellektuellen Wüste Gobi« begraben bleiben müsse, »die zwischen Niederschrift und Druck liegt«. Jetzt sah es so aus, als ob sie das Stück trotz allem bekommen würde. Ob es nun wirklich gut war oder nicht, und ob es je eine Aufführung erleben würde, war eine andere Sache. Sie war für ihn auch weniger wichtig. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass das Stück selbst ihn geistig blockiert hatte, als monströses Symbol jener schlimmen Jahre an der Oberschule in Stovington, seiner Ehe, die er so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte, der üblen Körperverletzung an seinem Sohn und des Zwischenfalls mit George Hatfield, eines Zwischenfalls, den er heute nicht mehr nur als einen seiner vielen unbeherrschten Wutausbrüche werten konnte. Heute war er der Ansicht, dass sein Alkoholproblem zum Teil auf das unbewußte Verlangen zurückzuführen war, sich von Stovington zu befreien. Die sichere Existenz dort hatte alles Kreative in ihm erstickt. Er hatte zwar das Trinken eingestellt, aber das Bedürfnis, frei zu sein, war geblieben. Deshalb auch die Sache mit George Hatfield. Nur das Stück auf dem Schreibtisch in seinem und Wendys Schlafzimmer war ihm aus jenen Tagen geblieben, und wenn es erst fertig gestellt und an Phyllis’ New Yorker Briefkastenagentur abgeschickt war, konnte er sich anderen Dingen zuwenden. Es würde kein Roman werden, er war nicht bereit, erneut in den trügerischen Sumpf eines drei Jahre währenden Unternehmens hineinzutappen. Eher wollte er ein paar Kurzgeschichten schreiben, vielleicht einen ganzen Band.
    Vorsichtig kroch er auf Händen und Knien das flach abfallende Dach hinunter. Er erreichte die Stelle, an der er das Wespennest gefunden hatte.
    Stets zu raschem Rückzug in Richtung Leiter bereit, beugte er sich über den Abschnitt, aus dem er die Bleche entfernt hatte, und schaute hinein. Da hing das Nest, genau zwischen dem alten Blech und der Querstrebe. Es war verdammt groß. Der graue Ballen musste einen Durchmesser von fast fünfzig Zentimetern haben. Er war nicht ganz gleichmäßig geformt, weil zwischen Blech und Holz nicht genügend Platz war, aber dennoch hatten die kleinen Viecher respektable Arbeit geleistet. Es handelte sich um die großen, bösartigen Wespen, nicht etwa um die kleineren gelben, die viel harmloser sind. Auf dem Nest bewegten sich die Insekten in trägem Gewimmel. Die Herbstkälte hatte ihre Bewegungen langsamer werden lassen, aber Jack, der seit seiner Kindheit mit Wespen vertraut war, war froh, dass ihn nur eine gestochen hatte. Und, überlegte er, wenn Ullman den Job im Hochsommer vergeben hätte, wäre dem betreffenden Arbeiter eine höllische Überraschung sicher gewesen. Wenn ein Dutzend Wespen gleichzeitig über einen Mann herfallen und ihm Gesicht, Arme und Hände zerstechen, könnte er sehr wohl vergessen, dass das Dach zwanzig Meter hoch ist, und leicht könnte es geschehen, dass er auf der Flucht vor seinen Peinigern über die Kante springt. Und alles wegen dieser winzigen Dinger.
    Er hatte irgendwo gelesen – in der Beilage einer Sonntagszeitung oder auch in einem Zeitschriftenartikel –, dass bei sieben Prozent aller tödlichen Autounfälle die Ursache nicht ermittelt werden kann. Kein technischer Defekt, keine überhöhte Geschwindigkeit. Kein Alkohol, kein schlechtes Wetter. Ein einzelner Wagen, verunglückt auf einer verlassenen Wegstrecke, ein toter Insasse, der Fahrer, der nicht mehr erklären kann, was passiert ist. In dem Artikel hatte ein Verkehrsexperte der Polizei die Ansicht vertreten,

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