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Shining

Shining

Titel: Shining Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schauten zu, wie die Kohlen verglimmten und das Feuer langsam schwächer wurde. Im übrigen Foyer war es kalt und zugig, aber in der Nähe des Kamins war es so zauberhaft warm, dass man ungern ging.
    »Onkel Al war am Telefon«, sagte sie beiläufig.
    »So?« Es klang nicht im geringsten überrascht.
    »Ob Onkel Al wohl böse auf Daddy war?« fragte sie ebenso beiläufig.
    »Klar«, sagte Danny und beobachtete immer noch die Kohlenglut. »Er will nicht, dass Daddy das Buch schreibt.«
    »Welches Buch, Danny?«
    »Über das Hotel.«
    Die Frage, die ihre Lippen formen wollten, war die Frage, die sie und Jack Danny schon tausendmal gestellt hatten: Woher weißt du das? Aber sie fragte nicht. Sie wollte ihn vor dem Schlafengehen nicht aufregen, und er sollte auch nicht merken, dass sie jetzt sein Wissen über Dinge diskutierten, die er überhaupt nicht wissen konnte. Aber er wusste sie, davon war sie überzeugt. Edmonds Geschwätz über induktive Schlussfolgerungen und unbewußte Logik war genau das: Geschwätz. Ihre Schwester … wie hatte Danny gewusst, dass sie an jenem Tag im Wartezimmer an ihre Schwester gedacht hatte? Und:
    (Ich habe geträumt, dass Daddy einen Unfall hatte.)
    Sie schüttelte den Kopf, als würde sie dann klarer denken können.
    »Geh dich waschen, Doc.«
    »Okay.« Danny rannte die Treppe hinauf und in die Wohnung. Stirnrunzelnd war sie dann in die Küche gegangen, um die Milch für Jack heißzumachen.
    Und jetzt, da sie wach im Bett lag und den Atemzügen ihres Mannes und dem Wind draußen lauschte (es hatte wunderbarerweise am Nachmittag nur einen Schauer gegeben; immer noch keine schweren Schneefälle), dachte sie nur noch an ihren hübschen kleinen Sohn, der ihnen solche Sorgen machte, der mit der inneren Embryonalhülle über dem Gesicht geboren war, was die Ärzte vielleicht nur bei jeder siebenhundertsten Geburt erlebten, und was, wie die alten Weiber erzählten, vom Zweiten Gesicht kündet.
    Sie fand, dass es Zeit war, sich mit Danny über das Overlook zu unterhalten … und höchste Zeit, Danny dazu zu veranlassen, sich ihr gegenüber zu äußern. Gleich morgen. Bestimmt. Sie würden beide nach Sidewinder fahren, wo sie in der Bibliothek versuchen wollte, gegen eine höhere Gebühr einige Lesebücher gleich für den ganzen Winter zu leihen. Und unterwegs würde sie mit ihm sprechen. Ganz offen. Bei diesem Gedanken wurde ihr ein wenig leichter ums Herz, und endlich schlief sie ein.
    *
    Danny lag in seinem Schlafzimmer noch mit offenen Augen wach, im linken Arm seinen alten ausgefransten Teddy (eines seiner Knopfaugen war ihm ausgefallen, und aus einigen geplatzten Nähten quoll ein Teil seines Inhalts hervor), und lauschte dem Schlaf seiner Eltern. Es war, als hielte er wider Willen Wache über sie. Die Nächte waren das Schlimmste. Er hasste die Nächte und das unablässige Heulen des Windes um die Westseite des Hotels.
    An einem Faden hängend schwebte sein Segelflugzeug über ihm. Das VW-Modell, das er von unten mitgebracht hatte, stand auf der Kommode und schimmerte schwach in fluoreszierendem Purpur. Seine Bücher standen im Regal, die Malbücher lagen auf seinem Schreibtisch. Für alles einen Platz und alles an seinem Platz, sagte Mommy. Dann kannst du immer finden, was du brauchst. Aber jetzt lag nicht alles an seinem Platz. Einige Dinge fehlten. Schlimmer noch, einige Dinge waren hinzugekommen, Dinge, die man nicht richtig sehen konnte, wie auf diesen Bildern, unter denen stand: KANNST DU DIE INDIANER FINDEN? Und wenn man sich anstrengte und das Bild von allen Ecken betrachtete, konnte man einige sehen – was man auf den ersten Blick für einen Kaktus gehalten hatte, war in Wirklichkeit ein Krieger mit dem Messer zwischen den Zähnen, und andere versteckten sich in den Felsen, und eines ihrer bösen, grausamen Gesichter schaute zwischen den Speichen eines Wagenrades hervor. Aber man konnte sie nie alle zugleich sehen, und das war beunruhigend. Denn die man nicht sah, konnten sich hinter einen schleichen, den Tomahawk in der einen, das Skalpiermesser in der anderen Hand …
    Unruhig bewegte er sich in seinem Bett, und sein Blick suchte den tröstlichen Schein der Nachttischlampe. Hier war alles schlimmer geworden. Das wusste er genau. Zuerst war es gar nicht so schlecht gewesen, aber allmählich … Daddy dachte wieder viel öfter an das Trinken. Er lief herum und wischte sich mit dem Taschentuch die Lippen, und seine Augen waren weit weg und seltsam verhangen. Mommy machte sich

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