Shit
Kollegin. Haben Sie konkrete Beweise?“
„Leider nein!“
„Und warum machen Sie dann ein Problem daraus?“, fragte Dr. Schmidt lächelnd und in einem Tonfall, der irgendwie mitleidig klang. Es war offensichtlich, dass er die „liebenswerte Müllerin“, wie sie alle nannten, nicht ernst nehmen wollte.
Aber Carola Müller ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Sie hatte lange genug ihren Mund gehalten und jetzt war sie richtig in Fahrt.
„Was heißt denn hier Problem machen“, schimpfte sie. „Erstens ist das Problem da und zweitens: Ich habe es nicht gemacht. Ich mache mir aber Gedanken um Marco Kniebs. Der hat sich in der letzten Zeit sehr verändert.“ Carola Müller zählte die Gründe für ihr Verdacht auf, aber Schmidt ging auf keine einzige der Vermutungen ein.
„Ach, die sind in dem Alter halt so. Das gibt sich wieder. Zeigen Sie der Klasse doch
Wir Kinder vom Bahnhof Zoo
. Das wird sie abschrecken, denn so will ja wohl niemand enden.“
„Was? Diesen alten Schinken? Und wissen Sie denn nicht, dass alle Warnungen und Drohungen Jugendliche nicht davon abgehalten haben, Drogen zu probieren? Jugendliche sind unsterblich. Jeder glaubt, dass es immer nur den anderen geschieht. Also, mit diesem Vorschlag haben Sie mir nun wirklich nicht weitergeholfen.“
Olaf Pinger, der immer noch seine Tasse mit beiden Händen umklammerte, sah sich einerseits gefordert, in dieser Situation als Beratungslehrer für Suchtvorbeugung aktiv zu werden. Andererseits wollte er sich nicht die Sympathie seines Schulleiters verscherzen, denn er hatte momentan gute Chancen, beim nächsten Termin zum Oberstudienrat befördert zu werden. Pinger erhob die Hand, bevor er sich mit leiser Stimme zu Wort meldete: „Vielleicht sollten wir beim nächsten Studientag über Möglichkeiten und Grenzen in der schulischen Sucht- und Gewaltprävention diskutieren.“
Dieser Vorschlag schien dem Schulleiter überhaupt nicht zu gefallen. Er bedachte Pinger lediglich mit einem strafenden Blick und drehte sich wieder zu seiner Kollegin um: „Wissen Sie was, Frau Müller? Wir sollten nicht hinter jeder Verhaltensänderung eines Schülers Drogenkonsum vermuten und voller Panik Studientage und Gesamtkonferenzen einberufen, sondern unsere Kräfte für wichtigere Dinge zum Wohl unserer Schüler bündeln.“
„Und was bitte bedeutet für Sie das Wohl unserer Schüler?“, zischte Carola Müller.
Schmidt blieb die Antwort schuldig und Pinger nippte verlegen an seiner Tasse. Seine Kollegin schien heute ihre kämpferische Ader entdeckt zu haben und bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, redete sie schon weiter.
„Und was ist mit Conny Stein, der an unserer Schule dealen soll? Das ist doch ein offenes Geheimnis. Und wir verhalten uns wie die drei Affen: nichts hören – nichts sehen – und nicht darüber sprechen. Wir können doch nicht die Augen vor der Realität verschließen und eine heile Schulwelt vorgaukeln.“
Eine eisige Stille breitete sich in dem Raum aus.
Das blasse Gesicht des Schulleiters verfärbte sich. „Herr Dr. Schmidt!“, sagte Carola Müller mit fester Stimme, obwohl sie innerlich bebte und zitterte. „Wir können doch nicht so tun, als würden unsere Schüler keine Drogen nehmen. Es ist ja auch nicht Ihre Schuld.“
Schmidt hatte sich von den überraschenden verbalen Angriffen seiner ansonsten schüchternen Kollegin erholt. Er räusperte sich. „Mir ist außer Conny Stein kein weiterer Fall bekannt und nach meinem Informationsstand verkauft Stein nur an Schüler der Hauptschule und nie bei uns auf dem Schulhof und ...“
„Ach, interessant! Woher wissen Sie das denn?“, fauchte Carola Müller.
Schmidt überhörte den Einwurf: „... somit sind wir kein Drogenumschlagplatz und sollten keine schlafenden Hunde wecken.“
„Herr Dr. Schmidt. Ich bitte Sie. Das darf doch wohl nicht wahr sein?!“, rief Carola Müller entgeistert.
„Wir werden mit einem Schulverweis klare Zeichen setzen, aber erst dann, wenn wir konkrete Verdachtsmomente haben. Auch bei uns gilt das Prinzip:
in dubio pro reo
. Im Zweifel für den Angeklagten. Und damit ist das Thema für mich beendet. Sie entschuldigen mich, ich habe wichtigere Dinge zu tun.“
Schmidt drehte sich um und schlug die Tür hinter sich zu, ohne seinen Kollegen nochmals ins Gesicht zu schauen.
Carola Müller atmete tief durch und sah Pinger an.
„Wovor hat dieser Mann Angst?“, fragte sie, trank den inzwischen kalten Kaffee widerwillig, verschluckte sich
Weitere Kostenlose Bücher