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Shiva Moon

Shiva Moon

Titel: Shiva Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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an, weil wir uns ändern wollten, aber es stieß uns auch wieder ab, und warum sage ich jetzt wir und nicht ich? Weil ich das hier so fühle. Ich beginne automatisch, im Namen einer ganzen Generation zu sprechen, oder besser, der Hälfte einer ganzen. Die andere Hälfte trank Rotwein und haute auf den Tisch. Wir wollten Liebe machen. Mehr noch, wir wollten Liebe werden. Kosmisches Bewusstsein war für uns ein durchaus gängiger und alltäglicher Begriff, und Indien war das Land, in dem Erleuchtung das tägliche Brot seiner Bewohner war. Und jetzt? Höre ich mich jetzt wirklich dasselbe wie Günther sagen? «Never trust an Indian.» Das wäre echt ein starkes Stück, darum sage ich es auch nicht. Ich sage: «Traue keinem Inder mehr als dir», als mich Jane fragt, ob sie als junge Frau allein durch Indien reisen könne. Denn sie wolle noch ein halbes Jahr bleiben, aber Jaquelina nicht.
    «Warum nicht, Jaquelina?»
    «Ich habe nur zwei Wochen Urlaub. Und eine ist rum.»
    «Urlaub wovon?»
    «Ich bin Juristin bei einer Versicherung.»
    Das Schöne am Leben sind seine Mischungen. Nichts wäre langweiliger als eine Geistheilerin, und nichts ist spannender als eine geistheilende Versicherungsanwältin. Ich schlage deshalb einen gemeinsamen Tagesausflug nach Indien vor. Rishikesh, sage ich, ist nicht Indien. Rishikesh ist umgeschlagen, wie ein Fluss, in dem zu viel Abwasser entsorgt wird. DieHälfte aller Menschen hier sind Touristen, und die andere Hälfte lebt von ihnen. Wo ist da der Witz? Haridwar ist richtiges Indien. Und Haridwar liegt nur dreißig Kilometer weiter nördlich. «Ja, ich habe davon gehört», sagt Jaquelina. «Es ist auch eine heilige Stadt, oder nicht?»
    «Zumindest keine scheinheilige», sage ich.
    Es ist der richtige Moment aufzubrechen, denn ein spanischer Gast des kleinen Restaurants zettelt gerade Streit mit einem Engländer an. Ich habe den Spanier schon einige Male auf der Straße und im Internetshop gesehen. Er sieht aus wie ein Model für ein Yoga-Magazin, Rubrik: die neuen Gurus. Lange rote Löwenmähne, wenn auch schon ein bisschen dünn, langer Bart, auch dünn, der ganze Mann ist dünn, aber nicht mager, und das ist, was seinen Oberkörper angeht, sehr schön zu sehen, denn er trägt nur eine ärmellose Baumwollweste, und er trägt sie offen. Die Baumwollhose trägt er natürlich geschlossen, aber die Füße sind dann wieder nackt. Ein Barfußtourist mit dem ewigen Lächeln, hatte ich bisher gedacht. Und jetzt zeigt er sein wahres Gesicht. «No smoking!», schreit er den Engländer an, und als der die Zigarette nicht sofort ausmacht, schlägt der Barfüßige sie ihm aus der Hand. Glücklicherweise rauche ich gerade nicht, ich würde ausflippen, hätte er das mit mir gemacht. In achtzig Prozent aller geschlossenen Räume von Rishikesh ist Rauchen verboten, hier nicht, dieses Restaurant gehört zu den letzten Oasen der alten, untergehenden Kultur. Warum kann er nicht woanders nicht rauchen gehen? Der Engländer sieht das genauso. Er zündet sich eine neue Zigarette an und sagt zu dem Spanier: «Wenndu das nochmal machst, werte ich es als einen Angriff, okay?» Der Besitzer des Restaurants zündet sich zeitgleich mit mir ebenfalls schnell eine an. Der Barfüßige versteht, aber was er nicht weiß, ist, wie er seinen heiligen Schwanz einziehen kann, ohne sein Gesicht zu verlieren. Seine Freundin ist bei ihm. Ich habe keine Ahnung, wie er das Problem lösen wird. Denn wir gehen.
     
    Wir können uns unverzüglich auf den Weg nach Haridwar machen. Niemand braucht etwas aus dem Hotel, am Abend sind wir eh zurück. Um ein Taxi oder eine Rikscha zu bekommen, müssen wir zum motorisierten Teil von Rishikesh gelangen. Schon während der fünfhundert Meter bis zur Brücke und auch auf der Brücke stelle ich fest, dass die Stadt, der Fluss und das Leben wieder mal anders als gestern sind. Stichwort: Shakti-Energien. Shakti ist die Frau von Shiva. Nur mit ihr ist der Gott rund und gesund. Und was für Götter stimmt, das stimmt auch für uns. Dabei geht es nicht mal oder nur um Sex. Einem durch Meditation und Yogatechniken hochsensibel und durchlässig gewordenen Mann reicht schon die Energie, die Ausstrahlung, die Nähe einer Frau, um sich vollständig zu fühlen. Bhagwan, später Osho genannt, umgab sich deshalb nur mit Frauen. So minimum zwanzig, egal wo er war. Hugh Hefner reichen sieben, und ich bin heute schon mit zwei mehr als zufrieden. Eine rechts, eine links und in der Mitte ich. In der Mitte

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