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Shiva Moon

Shiva Moon

Titel: Shiva Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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aktuell. Rama will wissen, ob er Jaquelina direkt zum Flughafen bringen soll, doch das ist ’ne blöde Idee. Wir würden ihn so gegen 20   Uhr erreichen, und dann müsste sie da vier Stunden herumstehen. Und der Internationale Flughafen von New Delhi hat, anders als der von Singapur, kein Schwimmbad auf dem Dach. Ich schlage deshalb vor, dass wir zuerst zum «United Coffee House» fahren und ein paar Bierchen stemmen, dann kann er uns zu einer Freundin bringen, die in Nizamuddin wohnt, und von dort wird sich Jaquelina später ein lokales Taxi zum Flughafen nehmen. Jetzt will Rama wissen, ob er auch bei dieser Freundin in Nizamuddin auf Jaquelinas Abflug warten kann. Bei der Vorstellung, wie Scarlet darauf reagiert, wenn ich ihr einen Taxifahrer aufs Sofa setze, muss ich grinsen. «Nein, Rama, das geht nicht. Sie ist eine indische Upperclass Lady.» Damit ist für ihn das Thema sofort vom Tisch. Und wie wird Scarlet auf Jaquelina reagieren? Was hat Knigge dazu parat? Es ist unhöflich, einer schönen Frau eine andere schöne Frau mit ins Haus zu bringen. Vor allem, wenn die andere deutlich jünger ist.
    Scarlet reagiert wie gewohnt fabelhaft. Sie freut sich ’nen Ast ab, als ich in ihrer Tür stehe, und alssie sieht, dass da noch jemand hinter mir ist, sagt sie «wunderbar» und lächelt die nächsten drei Stunden. Nachdem uns Jaquelina verlassen hat, hört sie auf zu lächeln und beginnt zu grinsen. «Nein, Scarlet», sage ich, «es ist nicht so, wie du denkst.»
    Nein, so war es nicht. Ich hatte mit Jaquelina draußen auf das Taxi gewartet, und weil es ein wenig verspätet kam, hatte ich genügend Zeit nachzufühlen, was für eine Art Abschied das war. Es war kein Abschied von jemandem, den man erst drei Tage kennt, aber es war auch kein Abschied, der einem das Herz bricht. Wir haben durch unsere Begegnung im Himalaya beide etwas bekommen, und jetzt verlor keiner etwas. Es lebe die Freundschaft. Sie ist immer ein Geschenk.
     
    Ich bleibe ein paar Tage in der Stadt. Hauptsächlich verbringe ich sie in Internetshops und an Orten, wo es Alkohol gibt. Außerdem kann ich ausgiebig Zeitungen lesen. Stand der Dinge in Sachen Bombenattentat: Die «Times of India» hatte ein Phantombild von einem der Attentäter abgedruckt, und in einem Vorort von Delhi meinten Leute, Ähnlichkeiten zwischen dem Phantom und einem Mann aus Kaschmir zu entdecken, der daherspaziert kam. Erst haben sie ihn fürchterlich zusammengeschlagen und dann der Polizei übergeben, die weiter auf ihn einprügelte. Als sich herausstellte, dass der Arme nicht mit dem Terroristen identisch ist, haben sie ihn davonhumpeln lassen, und nicht einer hat auch nur «nichts für ungut» gesagt. Nicht mal der Zeichner des Phantombildes hat sich bei ihm entschuldigt. Was den Busfahrer angeht, der eines der Bombenpakete aus dem Fenster geworfen hat und dabeisein Augenlicht verlor: Die Zeitungen nennen ihn noch immer «den Helden von New Delhi», aber es nützt ihm wenig. Die Stadtverwaltung zahlt ihm für die Rettung seiner rund hundert Fahrgäste eine Heldenprämie in Höhe von zwanzigtausend Rupien, also vierhundert Euro. Das reicht für die Operationen, die nötig sind, hinten und vorne nicht, sagen die Ärzte. Wenn da nicht mehr kommt, bleibt er blind. Nee, mehr Geld kommt nicht, sagt die Stadtverwaltung, aber wir haben noch ein anderes Geschenk für ihn. Wir stellen ihn an. Bisher war er ja nur Freiberufler, ein Aushilfsfahrer. Jetzt kriegt er einen richtigen Vertrag. Falls er wieder sehen kann.
    Das Bombenattentat ist auch dafür verantwortlich, dass Happy Diwali weniger gefährlich als sonst ausfällt. Es entspricht nicht nur unserem Weihnachten, sondern auch unserem Silvester. Normalerweise werden an diesem Freudentag Tonnen von Feuerwerkskörpern verballert, aber nach den Explosionen im Bahnhofsviertel herrscht deutlich geringere Lust dazu. Trotzdem müssen Scarlet und ich ab und zu die Straßenseite wechseln und zweimal wieder zurückgehen, weil die Kreuzung, die vor uns liegt, nicht mehr wie eine Kreuzung in New Delhis Nobelkolonie Nizamuddin aussieht, sondern eher an eine in Bagdad erinnert. Okay, so schlimm ist es nicht, und ich will mir auch nicht dauernd selbst widersprechen, zumindest nicht in einem Absatz, aber ich mag Feuerwerkskörper nun mal nicht. Es sei denn, ich bin betrunken. Dann mag ich sie auch nicht, aber ich kann es besser ertragen. Ich bin aber noch nicht betrunken. Wir sind erst auf dem Weg dazu. Eine Freundin von Scarlet hat uns

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