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Shiva Moon

Shiva Moon

Titel: Shiva Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helge Timmerberg
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Suhila beruht. Auch sie machte den ganzen Tag Chapatis mit diesem fröhlichen Gleichmut, und sie ist in ihrem Leben über die Nachbardörfer nicht hinausgekommen. Das war in Südindien. Warum sollte es amGolf von Bengalen anders sein? Aber er war schon in Kalkutta. Er hat dort fünf Jahre als Koch gearbeitet. Als er genug Geld gespart hatte, ist er in sein Dorf zurückgegangen, hat geheiratet und sich selbständig gemacht. Er hat seinen Platz mit dem Restaurant an der Straße gefunden. Und seine Frau ebenso. Die Straße ernährt sie. Sie ist wie eine Mutter zu ihnen.
    Mutter ruft. Wir müssen weiter. Und wieder ändert sich die Umgebung. Gibt es eine Steigerung für ländlich? Ja, Wildnis. Aber so wild ist es auch nicht. Es gibt keine Häuser mehr, sondern nur noch Hütten, sie sind mit Palmenblättern abgedeckt. Es gibt auch keine Straße mehr, sondern nur noch Spurrillen, die sich um Löcher winden. Trotzdem ist die Piste gut befahren. Vor uns rumpelt ein Schulbus, zum Platzen gefüllt mit Mädchen in blauen Blusen und blauen Röcken. Zu Fuß sind ebenfalls viele Schülerinnen unterwegs, sie haben fast alle hüftlange Haare, allerdings brav zum Zopf geflochten. Nur einmal sehe ich es offen. Am Rand eines Reisfelds bürstet eine alte Frau einer jungen die Haare. Sie fallen wie eine schwarze Welle fast bis zum Boden. Schönes Indien.
    Gegen Mittag sind wir bei dem Schiff, das uns über den Ganges nach Sagar Island bringt. Fahrer und Ambassador warten auf dem Festland, wir werden auf der Insel für die allerletzte Etappe ein anderes Taxi nehmen. Die Überquerung des Flusses dauert fast eine Stunde. Ich hatte Recht mit der Vermutung, dass er nicht blau ist. Er ist so schmutzig, dass man keine zwei Zentimeter tief sehen kann. «Stell dir vor, der Schiffsmotor geht kaputt», sagt Raja. «Was würden wir tun?»
    «Ich tippe auf schwimmen.»
    Raja grinst. «Da sind sehr große Fische drin.»
    «Ja, habe ich gelesen. Im Ganges gibt es Flussdelphine.»
    «Ich spreche von Haien», sagt Raja.
    Wie er darauf kommt? Nun ja, das Schiff sieht halt aus, wie Schiffe in Gegenden wie dieser aussehen. Es wurde wahrscheinlich zu Zeiten gebaut, als Mahatma Gandhi noch nicht so schöne Sachen wie «Keine Religion ist höher als die Wahrheit» sagte, sondern «Mama, Mamaaa, Mamaaaaaa!» schrie.
    Ich will es aber nicht spannender machen, als es ist. Wir erreichen wohlbehalten die Anlegestelle auf der anderen Seite, und Raja bittet mich, dass ich mich ein bisschen unsichtbar mache. Die Taxifahrer sollen nicht sehen, dass er mit einem Ausländer kommt. Er will indische Preise. Und er hat Erfolg. Fast zu viel Erfolg. Er findet einen Fahrer, der die Hälfte des Preises akzeptiert, den er hier beim letzten Mal bezahlt hat. Komischerweise freut sich Raja gar nicht über diese Wohltat der Gegenwart. Er ärgert sich lieber über die Vergangenheit. Mich entspannt es. Ich bin also in diesem Auto nicht der einzige Profi, der hin und wieder pennt. Und wir ziehen ähnliche Schlüsse daraus. «Den Fehler mache ich nicht nochmal», sagt Raja, und ich sage: «Ja, ja, mein Freund, man macht denselben Fehler nicht nochmal. Man macht andere. Einen Fehler aber macht man immer, oder nicht?»
     
    Die letzten Kilometer. Sie führen durch eine bessere Welt. Flora und Tiere sind auf der Insel nicht anders als auf dem Festland, aber es ist deutlich weniger Betrieb. Nur einmal im Jahr, wenn Millionen zum GangaSagar Mela kommen, ist diese Straße überfordert. Den Rest der Zeit wird sie so wenig befahren wie eine Straße im Paradies. Ein paar Fahrräder, ein paar motorisierte Klapperkisten, das war’s, und ansonsten nur Grün, Grün, Grün. Fettes, saftiges, antidepressives Grün. Die Heimat des bengalischen Tigers? Nein, sagt Raja. Die sind in den Mangrovensümpfen östlich von hier. Da gibt es allerdings sehr viele. Und alle fressen Menschen. Der Speiseplan hat sich bei ihnen recht gut durchgesetzt. Die Honigsucher und Holzarbeiter in den Sümpfen tragen deshalb Gesichtsmasken am Hinterkopf. Sie glauben, dass ein Tiger ungern frontal angreift. Ihre Frauen glauben das nicht. Solange ihre Männer im Sumpf sind, kleiden und benehmen sie sich wie Witwen. Erst wenn die Männer zurückkommen, schminken sie sich wieder ihre Eheornamente. Wie gesagt, Raja spricht, und dann ist plötzlich Schluss mit Grün und Schluss mit dem Tigerseminar, denn wir sind da.
    Ganga Sagar.
    Raja hatte nicht zu viel versprochen. Es gibt eigentlich nichts Besonderes hier zu sehen. Ein Streifen

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