Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
Buttermesser nieder. »Was ist damals passiert?«
»Sie war nicht allein.«
»Das weiß ich, du warst bei ihr.«
»Nicht nur ich, Zoey. Ein Arzt war im Zimmer, und … und ich glaube … O Gott, ich kann es nicht fassen, aber ich glaube, er hat sie
missbraucht
.«
»Missbraucht?« Zoey sah Abby an, als hätte sie den Verstand verloren.
»Sexuell belästigt.«
»Himmel, Abby!«
»Ich weiß, dass es sich verrückt anhört, aber so, wie ich mich an die Situation erinnere, war ihre Bluse geöffnet und …«
Sie zögerte. »Ich habe sein Gesicht vor Augen, aber …« Sie überlegte angestrengt, suchte nach seinem Namen, aber er fiel ihr nicht ein. Abby atmete tief ein, um ihre Nerven zu beruhigen, und warf Zoey einen Blick zu. »Weißt du noch, wer Mom behandelt hat? Wie der Psychiater hieß?«
»Es gab dort viele Ärzte und Schwestern.« Langsam und mechanisch spießte Zoey einen Happen Blattsalat und Shrimps auf ihre Gabel und tauchte ihn kurz in das kleine Schälchen mit Dressing. »Sie war ja immer mal wieder in diesem Krankenhaus. Und die Belegschaft wechselte ständig.«
»Aber bei ihrem letzten Aufenthalt … Wer hat sie kurz vor ihrem Tod behandelt?«
»Ich kann mich nicht entsinnen, aber Dad weiß es vielleicht.«
Zoey schüttelte den Kopf. »Aber er ist so hinfällig. Ich möchte ihn nicht in diese Sache hineinziehen.«
»Ich glaube, wir haben keine andere Wahl, Zoey. Ich habe das Gefühl, dass dieser Arzt, wer immer er war, Mom nicht nur missbraucht, sondern womöglich auch umgebracht hat.«
»Nun mach mal einen Punkt … Jetzt wirfst du diesem Mann sexuelle Belästigung
und
Mord vor? Du glaubst, er hat Mom aus dem Fenster gestoßen?«
Abby kniff die Augen zu, versuchte, die Erinnerung zu halten, doch sie war schlüpfrig und entglitt immer wieder ihrem Bewusstsein. »Geh morgen zu Dad. Finde heraus, was er noch weiß.«
»Und was machst du?«, fragte Zoey misstrauisch.
»Ich werde weiterhin versuchen, mich genauer zu erinnern.«
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und musterte ihre Schwester. »Du hättest es mir sagen müssen. Ich hätte es längst wissen müssen, ganz gleich, was die Ärzte gesagt haben.«
»Niemand konnte vorhersehen, dass du immer wieder diese Albträume haben würdest.«
»Ich habe diese Albträume, weil niemand ehrlich zu mir war!«
»Okay, okay …«
Ein unbehagliches Schweigen folgte. Abby schob mit der Gabel ihren Salat auf dem Teller umher. Sie wusste jetzt, was sie zu tun hatte, doch sie konnte sich ihrer Schwester nicht anvertrauen.
Wenn sie noch einmal das Krankenhaus aufsuchte, würde sie sich dank dieser neuen Information an alles erinnern, dessen war sich Abby sicher. Wenn sie die Wahrheit über das Schicksal ihrer Mutter erfahren, wenn sie den Bann brechen wollte, in dem der Tod ihrer Mutter sie noch immer gefangen hielt, musste sie in der Zeit zurückgehen … Sie musste sich Zutritt zum Zimmer 207 im Krankenhaus Our Lady of Virtues verschaffen.
Montoya schob den Stapel Fotos auf die eine Seite des Schreibtisches, lehnte sich in seinem Sessel zurück und rieb sich die Augen. Seit Stunden saß er nun schon hier.
Bisher hatte er einen Stapel mit Fotos aussortiert – von Personen, die er noch nicht identifiziert hatte. Aus diesem Stapel wiederum hatte er die Männer herausgesucht, die groß genug waren, um womöglich Schuhgröße zwölf zu tragen. Trotzdem war es möglich, dass er in die falsche Richtung ermittelte. Schließlich konnte er nicht mir Sicherheit sagen, ob der Mörder an einer der Beerdigungen teilgenommen hatte.
Frustriert fuhr sich Montoya mit einer Hand über den Nacken und stand dann auf, um Rücken und Beine zu strecken. Er war im Grunde viel zu rastlos und energiegeladen, um stundenlang am Schreibtisch sitzen zu können.
Doch seine Vorgesetzten wollten nicht, dass er an vorderster Front mitarbeitete, solange nichts Näheres über seine Tante bekannt war. Es war zum Haareausraufen! Wer wäre dennwohl geeigneter, um nach Maria zu suchen, als er? Niemand brannte so sehr darauf, Klarheit in den Fall zu bringen, wie er.
»Scheiße«, knurrte er.
Seine Familie drehte durch. Seit Marias Verschwinden hatte jede Tante, jeder Onkel, jeder Cousin und jede Cousine ersten und zweiten Grades ihn angerufen, entweder um ihm besorgte Fragen zu stellen oder um schlimmste Befürchtungen laut werden zu lassen.
Doch ihre schlimmsten Befürchtungen waren nicht so schlimm wie seine eigenen. Mit jeder Sekunde, die seit dem Verschwinden von Maria
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