Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
Streben nach Gerechtigkeit und Trägheit des Herzens sowie Barmherzigkeit und …«
»Habgier«, vollendete er ihren Satz und legte bereits den Gang wieder ein.
Zaroster atmete tief durch. »Die Buchstaben W, H und Z … wie Wollust, Habgier, und Zorn?«
»Bingo.« Warum hatte er das nicht früher erkannt? Die Hinweise waren da, der Mörder rieb ihm die Buchstaben unter die Nase, die nicht nur den Initialen der Opfer entsprachen, sondern auch ihre vermeintliche Sünde oder Tugendbezeichneten. »Ich habe gerade den jüngsten Mordschauplatz besucht, und alles dort sprach sehr deutlich von rasendem Zorn. Billy Zachary Furlough war ein zorniger Streiter des Herrn und sein zweiter Vorname, Zachary, beginnt mit dem Buchstaben Z. Z für Zorn. Im Gegensatz zu ihm war meine Tante die Milde in Person, und sie hieß Maria …«
Zaroster fiel ihm ins Wort. »Und Courtney LaBelle, unsere Heilige Jungfrau, ist die Reinheit. Ihr zweiter Vorname ist Regina. Maria hatte keinen zweiten Vornamen. Dadurch macht der Mörder die Sache ein bisschen verzwickter für uns. Trotzdem, Luke
Walter
Gierman steht für Wollust. Herr im Himmel, das ist ja pervers!«
»Asa Pomeroys Sünde war die Habgier. H wie Homer«, sagte Montoya, »und Gina Jefferson war der Inbegriff der Menschenfreundlichkeit oder Barmherzigkeit. B wie Bellinda.«
»H und B«, flüsterte sie. »Wenn du Recht hast, dann ist er noch nicht mal zur Hälfte fertig. Es gibt sieben Todsünden, sieben Tugenden …«
»Vierzehn Opfer.« Montoya wendete geschickt, trat wieder aufs Gas und fuhr mit kreischenden Reifen an. »Und alles nimmt seinen Anfang im Krankenhaus Our Lady of Virtues, mit der Heiligen Jungfrau der Tugenden.«
»Und dort hat Simon Heller gearbeitet«, sagte Lynn. »Der muss der Gesuchte sein! Ich habe gerade die Bestätigung seiner letzten Adresse erhalten. Stell dir vor: Vor drei Monaten ist Heller wieder nach New Orleans gezogen. Hat eine Wohnung im Garden District gemietet.«
Montoya erschrak. »Schick jemanden hin.«
Vielleicht konnten sie den Scheißkerl aufhalten, bevor es zu spät war.
»Bin schon unterwegs«, erwiderte sie, und er sah bildlich vor sich, wie sie nach Jacke und Waffe griff.
»Nimm noch jemanden mit. Und berichte Bentz, was wir rausgefunden haben.«
»Mach ich.«
»Pass auf dich auf, Lynn. Der Kerl ist brandgefährlich.«
»Keine Angst«, beruhigte sie ihn. »Das bin ich auch.«
Der Regen prasselte auf das Dach der ehemaligen Anstalt.
Mit Nerven, die bis zum Zerreißen gespannt waren, ging Abby an dem Buntglasfenster am Treppenabsatz vorbei, wo kaum noch Licht die farbigen Glasscheiben durchdrang. Abby lauschte angestrengt.
Stieg die ausgetretenen Stufen hinauf.
Hinauf in den pechfinsteren Flur im zweiten Stock.
Die Etage, auf der ihre Mutter gewohnt hatte.
Draußen pfiff der Wind, trieb den Regen vor sich her. Abby spürte ein Kribbeln im Nacken. Durch genau diesen Flur war auch Heller geschlichen, hier hatte er vor der Zimmertür gelauert.
Vor ihrem inneren Auge sah Abby sich selbst, wie sie die Tür aufstieß und ihn entdeckte, wie er mit seinen großen Händen ihre Mutter zu fassen versuchte. Abby hatte nach Luft geschnappt. Er war herumgefahren, sein Gesicht gerötet und hart. Die Augen funkelten, eine Ader pochte an seiner Schläfe, und unter seinem Kittel war seine Erektion zu sehen.
Vor Ekel hatte sich ihr fast der Magen umgedreht, und nur der flehende Blick in den Augen ihrer Mutter, die sie über Hellers Schulter hinweg ansah, hatte verhindert, dass Abby schrie.
Jetzt leuchtete Abby mit dem Strahl ihrer Taschenlampe denFlur aus. Sämtliche Türen längs des dunklen Korridors standen offen, entweder sperrangelweit oder nur einen Spaltbreit. Außer der Tür zu Zimmer 207. Diese war verschlossen.
Es hat nichts zu bedeuten, sagte sie zu sich selbst. Nun mach schon, öffne die verdammte Tür!
Mit vor Nervosität schweißnassen Händen und einem ängstlichen Kribbeln im Körper klemmte sie sich die Brechstange unter den Arm und packte den Türgriff. Sie schloss die Augen und drehte ihn.
Der Knauf ließ sich bewegen.
Problemlos.
Ihr Puls raste. Bei ihrem letzten Besuch war die Tür verriegelt gewesen.
Sie öffnete die Tür.
Sie schwang nach innen auf, ohne den Hauch eines Knarrens, als wären die Scharniere erst kürzlich geölt worden.
Neue Angst ergriff Abby.
Hier war etwas faul. Trotzdem machte sie einen Schritt in das Zimmer. Ein aseptischer Geruch stieg ihr in die Nase. Sie ließ den Lichtstrahl über
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