Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
grauenhaften, markerschütternden Schrei.« Maria strich sich über den Hals. »Das Auto von Faiths Angehörigen war gerade vorgefahren. Eines der Mädchen war bereits im Gebäude, vielleicht schon auf der Treppe, ja, ich war ihr auf dem Weg nach unten im ersten Stock begegnet. Die andere Tochter und Faiths Mann waren noch draußen, luden ein Geschenk für sie aus dem Wagen, glaube ich … Aber es ist so lange her …«
Marias Augen trübten sich, und auch wenn sie über den Hof hinweg auf den arbeitenden Gärtner blickte, sah sie, wie Montoya ahnte, vor ihrem inneren Auge doch etwas völlig anderes.
Leise fuhr sie fort: »Es war grauenhaft. Ich hörte Rufe und Schreie, und da lag sie … das arme Ding, da lag sie zerschunden und tot auf dem Beton.« Sie schlug rasch ein Kreuzzeichen über ihrer Brust. »Das Mädchen war bei ihr und der Ehemann … Jacques. Es war so schrecklich!« Sie schauderte und blinzelte hastig ein paar Tränen fort. »Eines der Mädchen hielt ein Geschenk in den Händen. An diesem Tag hatte Faith Geburtstag. Merkwürdig, weißt du, wenn jemand an seinem Geburtstag aus dem Leben scheidet.« Sie runzelte die Stirn. »Und es war auch der Geburtstag einer der Töchter, der jüngeren, glaube ich, aber ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Was kannst du mir über Faith sagen?«, fragte Montoya.
»Über ihren Gesundheitszustand? Nicht viel, fürchte ich. Krankheitsgeschichten sind streng vertraulich.«
»Ich weiß, aber sie ist tot,
Tia
. Schon seit langer Zeit.«
»Trotzdem. Ich darf keine Informationen weitergeben.«
»Ich könnte einen Gerichtsbeschluss erwirken.«
»Und wenn ich dem zuwider handle, steckst du mich insGefängnis?« Sie erhob sich und schritt zu einem mit Blumen und Farnen bepflanzten Korb. Mit ihren dünnen Fingern zupfte sie vertrocknete braune Wedel und einzelne Blätter heraus.
»
Tia
Maria, bitte«, sagte Montoya, bemüht, einen gereizten Unterton zu vermeiden. »Hilf mir doch. Ich will Courtneys Mörder fassen.«
»Indem du Fragen über Faith Chastain stellst?« Dass sie ihm nicht glaubte, war unüberhörbar.
»Alles, was du sagst, wird vertraulich behandelt, das verspreche ich dir.«
»Es gibt Gesetze zum Schutz von Patienten und Ärzten«, entgegnete sie mit leiser Stimme, zerrieb die trockenen Blätter zwischen den Fingern und ging zurück zu der Bank. Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ die Blattreste durch ihre Finger rieseln.
Auf der anderen Seite des Kreuzgangs fegte der Gärtner immer noch, mit gesenktem Kopf, als hätte er die beiden Gestalten auf der Bank nicht bemerkt.
Sie seufzte. »Vermutlich ist es ein offenes Geheimnis, dass Faith mehrmals in die Anstalt eingewiesen wurde. Verschiedene Ärzte stellten verschiedene Diagnosen. Freilich, das alles ist vor vielen Jahren geschehen, und die Mediziner wussten damals noch nicht so viel über Geisteskrankheiten wie heute.« Sie wischte sich die Hände ab. »Ich kann dir sagen, was ich glaube: Faith Chastain war eine unverstandene, schwer gestörte Frau. Das ist keine professionelle, medizinische Diagnose, aber die Wahrheit. Und ihre Krankheit? Schizophrenie? Mag sein. Paranoia? Ganz sicher. Es war, als kämpfte sie gegen Dämonen in ihrem Inneren. Ich habe versucht, ihr durch Gebete zu helfen, und hoffte, sie würde Trost und Frieden in Gott finden. Ob esihr gelungen ist? Ich weiß es nicht …« Marias Blick wurde düster.
»Was ist mit ihr passiert? Was hat sie dazu getrieben, in den Tod zu springen?«
»Keine Ahnung. Das ist eines der großen Geheimnisse, die dieses Krankenhaus umgeben. Aber Faith ist jetzt bei Gott. Die Dämonen in ihrem Inneren können sie nicht mehr quälen und peinigen. Allein das ist wichtig.«
»Aber Courtney LaBelle und Luke Gierman sind ermordet worden, und die beiden verbindet die Tatsache, dass Angehörige von ihnen in einem Zusammenhang mit diesem Krankenhaus standen.«
»Luke Gierman? Dieser Radiomoderator? Ein Angehöriger von ihm war auch hier?« Maria legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt nach.
»Kein Blutsverwandter. Aber Abby Chastain ist seine Exfrau. Und sie ist Faiths jüngere Tochter.«
»Oh … Das wusste ich nicht.« Marias Blick schweifte ins Leere. »Das arme Mädchen. Was sie an jenem Tag gesehen hat …«
»Verstehst du jetzt, warum ich deine Hilfe brauche?«
Sie schaute ihn flüchtig an und berührte mit ihrer kühlen Hand seine Wange. »Ich weiß deine Arbeit zu würdigen. Du übst einen schwierigen Beruf aus. Oft genug erfährst du
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