Shkarr (German Edition)
leicht hin und her; seine Barthaare berührten die Scheibe des Fensters.
Elektrische Ladungen sprangen durch die Luft und sträubten sein Fell, machten ihn ganz kribbelig. Vergnügt tanzte er durch die kleine Wohnung und vollführte gewagte Sprünge. Auf seine Weise fühlte er sich frei, denn so viel Platz hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Auch war niemand da, der ihn maßregelte.
Erst unmerklich, dann immer spürbarer, ließ das Kribbeln nach. Shkarr lauschte dem Rauschen des Regens und dem sich entfernenden Grollen. Zufrieden schüttelte er sich und brachte sein Fell in Ordnung. Ausgiebig begann er mit seiner Fellpflege, widmete jedem erreichbaren Zentimeter die notwendige Zeit.
Irgendwann ertappte er sich dabei, wie er immer wieder suchend zum Fenster hinaufschaute und den dunklen Himmel ansah. Zu seiner Verärgerung stellte er fest, dass Krischan der Grund für sein Verhalten war.
Shkarr streckte sich. Er machte sich doch tatsächlich so etwas wie Sorgen um den Menschen! Wieder erfüllte ihn Abscheu bei den Gedanken an Menschen ganz allgemein und an die Besitzer seiner selbst ganz besonders. Unwillig schüttelte er den Kopf, plusterte sich kurz auf, um sich gleich darauf erneut auf seine Hinterläufe zu setzen. Ganz egal konnte ihm der Mensch aber auch nicht sein. Einerseits war es nur mit dessen Hilfe möglich, sich einigermaßen frei zu bewegen, andererseits war jeder neue Besitzer ein viel zu großes Risiko.
Auch wenn Krischans letzte Reaktion erneut Flucht gewesen war, allein ausgelöst durch Shkarrs Anblick, so war das Katzenwesen trotz seiner eindeutigen körperlichen Überlegenheit abhängig von seinem menschlichen Mitbewohner und genau diese Schwäche war das, was er als Kanarra unter Menschen brauchte.
Nachdenklich betrachtete der Katzenmann seine Vorderpfoten. Irgendwie musste er Krischan an sich gewöhnen. Etwas anderes blieb ihm kaum übrig. Krischan war der erste Besitzer, der so sehr anders war als alle anderen Menschen, denen er bisher begegnet war. Wenn es ihm gelang, ihn so zu beeinflussen, dass er mit dem Menschen die Freiheit bekam, nach der er sich sehnte, dann würden sie ganz bestimmt gut miteinander auskommen. Und vielleicht war das auch ein Vorteil für das Menschlein, das so klein und schwach kaum lebensfähig schien. Selbst nach menschlichen Verhältnissen.
Natürlich mussten einige Dinge dringend verändert werden. Da war zum einen das Essen und zum anderen diese Unvernunft, mithilfe von Drogen dem Schlaf in die Arme zu fallen. Shkarr stellte fest, dass einige sehr wichtige Entscheidungen getroffen werden mussten. Entscheidungen, die Shkarr traf und die Krischan umzusetzen hatte. Ganz zu Anfang musste geeignete Nahrung herangeschafft werden, denn er, Shkarr, hatte Hunger und einen weiteren Tag und eine weitere Nacht würde er auf Essen nicht verzichten.
‚Krischan! Wo bleibt der Mensch nur?‘ Jetzt hatte Shkarr den Gedanken ausgesprochen, der ihn unterschwellig die ganze Zeit über schon beschäftigte. Unruhig ging er zum Fenster, stellte sich auf und schaute hinaus. Die Straßenbeleuchtung tauchte die Umgebung in ein indirektes Licht und warf bizarre Schatten. Kein Mensch ließ sich blicken und nur vereinzelt leuchtete Licht aus den Fenstern der Häuser. Shkarr konnte nur spekulieren, doch er glaubte, dass Krischan sich Tag für Tag nach dem immer selben Muster verhielt. Seine Bewegungen am vorigen Abend hatten routiniert und eingeschliffen gewirkt, wie schon tausendmal ausgeführt und niemals infrage gestellt. Kein Gedanke war mehr notwendig, um eine Entscheidung zu treffen.
Wenn dem tatsächlich so war, dann hätte Krischan schon längst wieder hier sein müssen. Er hätte eine Schale erhitzt und das Zeug darin gegessen, danach stand Körperpflege auf dem Plan und zum Schluss Drogen. Doch nichts dergleichen geschah. Krischan war nicht hier.
Shkarr überlegte und näherte sich unbehaglich der Tür. Sie öffnete sich vor ihm. Wahrscheinlich war sie noch nicht darauf programmiert, ihn in der Wohnung zu lassen. Besitzer achteten normalerweise darauf. Krischan hatte jedoch noch nicht die Möglichkeit gehabt. Aber das gab Shkarr andererseits die Gelegenheit, einfach ein wenig die Umgebung abzusuchen. Shkarrs Fell sträubte sich. Sollte er es wirklich wagen und dabei riskieren, erneut aufgegriffen zu werden? Shkarr trat auf der Stelle. Eigentlich konnte ihm nichts passieren, solange er niemanden angriff und bei dem Wetter würde ihn auch niemand sehen. Die Menschen blieben
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