Shoal 01 - Lichtkrieg
um und blickte hinter sich. »Sie können jetzt rauskommen, Udo.«
Aus den Schatten im hinteren Teil der Brücke tauchte Udo Mansell auf, wie ein Gespenst, das im Dunkeln gelauert hatte.
»Alle Achtung«, meinte der Freistaatler, auf sie zuschlendernd. »Wann haben Sie es gemerkt?«
»Gleich nachdem Sie sich durch die Service-Luke hier eingeschlichen haben. Ich weiß alles, was auf diesem Schiff vorgeht -wer sich gerade an welchem Ort aufhält und den exakten Zeitpunkt.« Sie hob die Hand und tippte an ihre Schläfe. »Schon vergessen?«
Er baute sich so dicht vor ihr auf, dass er mit seiner beeindruckenden Größe auf sie herabsehen konnte. Dann streckte er die Hand aus und wollte ihre Wange streicheln. Sie zuckte zusammen und wich so weit zurück, bis eine Arbeitskonsole zwischen ihnen stand.
»Warum haben Sie solche Angst?«
»Wie kommen Sie darauf, ich könnte mich fürchten?«
»Das Problem mit euresgleichen ist, dass ihr verlernt habt, mit normalen Menschen zu reden. Ihr seid so sehr damit beschäftigt, euch über eure Implantate miteinander zu vernetzen, dass ihr nicht mehr wisst, wie man sich in Gesellschaft von normalen Leuten benimmt. Ich nehme Ihnen ab, dass Sie unschlagbar sind, wenn es darum geht, Maschinen wie die an Bord befindlichen Geräte zu bedienen, aber Sie haben Mühe, jemanden zu betrügen. Ich kann in Ihnen lesen wie in einem offenen Buch, und ich weiß genau, wann Sie irgendeine Lüge auftischen. Mir machen Sie nichts vor.«
Er kam wieder auf sie zu, und Dakota bewegte sich rückwärts in Richtung der Tür. Im allerletzten Moment, ehe sie durch den Ausgang entwischen konnte, schwenkte Udo um sie herum und versperrte ihr den Weg. Als sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, packte er sie bei der Schulter.
Instinktiv riss sie die Faust hoch und wollte sie ihm ins Gesicht rammen. Doch mühelos fing er den Schlag in der Luft ab, als hätte er ihr Vorhaben erraten. Ihr Arm zitterte unter dem brutalen Griff, mit dem er ihn wieder nach unten drückte. Es gelang ihr, sich loszureißen und abermals auf Distanz zu gehen.
Breit grinsend stakste Udo ihr hinterher. »Lassen Sie uns ein paar Dinge klarstellen. Wir brauchen Sie, damit Sie eine spezifische und wichtige Aufgabe übernehmen. Und Sie sind offensichtlich auf uns angewiesen, weil Sie eine Kriminelle sind. Es ist schon so, wie dieser Idiot Gardner es ausdrückte – allein die Tatsache, dass Sie für uns arbeiten, stempelt Sie als Lügnerin ab. Nur durch Lügen haben Sie es geschafft, am Leben zu bleiben. Wir beide wissen das, nicht wahr?«
Als er nach ihr fassen wollte, ging sie zum Angriff über. Sie schnappte seinen Arm und zog ihn mit einem Ruck näher an sich heran, doch wieder ahnte er, was sie vorhatte, und stieß mit seiner freien Hand gegen ihre Brust.
Sie wäre im Vorteil gewesen, wenn auf der Brücke der Hyperion Schwerelosigkeit geherrscht hätte; doch der zentrale Ring des Schiffs sorgte für erdähnliche Gravitationsverhältnisse. Bei null g war sie eine geschickte Kämpferin.
Sie prallte auf dem Boden auf; Udo verdrehte ihr den Arm, bis sie bäuchlings zu seinen Füßen lag. Er kniete sich über sie und hielt plötzlich ein langes, gemein aussehendes Messer in der Hand. Vor Entsetzen schnürte sich ihre Kehle zusammen, als er die gezackte Schneide auf ihren Nacken presste.
Sein fauliger Atem wehte ihr entgegen. Sie versuchte, sich mit der freien Hand vom Boden hochzustemmen, und spürte einen fürchterlichen Schmerz in der anderen Schulter.
»Siehst du das?«, flüsterte er heiser, die Klinge vor ihr Gesicht haltend. »Willst du wissen, wie viele Kehlen ich damit aufgeschlitzt habe?«
Dakota sagte nichts; ihr Atem ging stoßweise.
»Nur damit du Bescheid weißt«, fuhr Udo fort. »Ich kann deinesgleichen nicht ausstehen. Ich habe gesehen, was in Port Gabriel passiert ist, und ich kaufe dir das Märchen nicht ab, dass die Maschinenköpfe nichts dafür konnten. Ihr alle seid eine Bande hinterhältiger, wandelnder, verdammter Zeitbomben. Das ist schon schlimm genug, aber du – du genießt es auch noch, so zu sein. Es gefällt dir so gut, dass du immer noch diese Chips in deinem Schädel hast. Was, zur Hölle, findest du so besonders daran, häh?«
»Ich war nicht dabei«, ächzte Dakota.
»Dein Glück«, knurrte Udo. »Denn wenn du mitgemacht hättest, wärst du jetzt schon tot, und dieses Gespräch hätte niemals stattgefunden. Gardner ist ein Geschäftsmann. Er hat eine andere Sicht der Dinge. Selbst der
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