Shoal 01 - Lichtkrieg
eingesperrt war. Jetzt hatte er sich auch noch Udo zum Todfeind gemacht. Vielleicht habe ich einen Hang zum Selbstmord. Nun ja, das würde wenigstens einiges erklären.
Daheim verließen sich Menschen darauf, dass er innerhalb bestimmter Grenzen, die die Ehre gebot, alles nur Erdenkliche unternahm, um sie vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Sich mit Udo anzulegen, war nicht sehr hilfreich. Er hatte spontan gehandelt, ohne nachzudenken …
Blödsinn, du musstest eingreifen. Alles andere wäre unehrenhaft gewesen.
Stöhnend stemmte er sich wieder von der Wand ab und starrte finsteren Blickes den Korridor hinauf und hinunter. Er fühlte sich furchtbar elend und niedergeschlagen. Noch nie seit dem Aufbruch von Redstone hatte er sich so sehr gewünscht, daheim zu sein.
Mit jedem Tag, der verging, kam ihm deutlicher zu Bewusstsein, dass Udo ein großes Problem darstellte. Und jetzt hatte er Oorthaus gegenüber auch noch angedeutet, dass man sie eigentlich für einen ganz anderen Job angeheuert hatte, als die Hyperion zu fliegen. Obendrein musste er sie auch noch mit dem Tod bedrohen. Das machte es umso wahrscheinlicher, dass sie versuchen würde unterzutauchen, wenn sie sich erst einmal auf dem Kernschiff der Shoal befanden. Und dann … nun, entweder sie suchten sich einen anderen Maschinenkopf, der dumm oder verzweifelt genug war, um sich auf ihre Bedingungen einzulassen, oder sie knobelten eine Alternative aus, wie sie das Wrack der »Weisen« bergen konnten, wenn die Zeit dazu reif war.
Doch mittlerweile hatte Corso genug über dieses fremdartige Raumschiff herausgefunden, um sich absolut sicher zu sein, dass ihre Chancen, es ohne Malas Hilfe steuern zu können, fast gleich null waren.
Immer noch zitternd, schlich Dakota zu ihrem Quartier zurück. Als Erstes dämpfte sie die Beleuchtung; im schummrigen Halbdunkel ließ sie sich von ihrem Ghost trösten und ihre in Aufruhr geratenen Nerven beruhigen. Die Implantate bewirkten, dass sie allmählich gelassener wurde, indem sie einen steten Strom von Empathogenen in ihr Gehirn einschleusten.
Nicht mehr lange, und die Piri Reis meldete sich als sanfte, lindernde Präsenz in ihren Gedanken.
‹Dakota, ich habe ein paar der komplizierteren Code-Sequenzen, die in den Datenspeichern des Schiffs benutzt werden, teilweise entschlüsselt. Ich kann dir Hintergrundinformationen bezüglich der anderen Passagiere zukommen lassen. Aber du musst berücksichtigen, dass die Angaben aufgrund der Art ihrer Kodierung unvollständig sind.›
Das reicht mir schon, erwiderte Dakota in Gedanken.
Neues Wissen strömte in ihr Gehirn, und die Informationsflut war so groß, dass ihr Ghost vorübergehend von der schieren Wucht dieses Ansturms überwältigt wurde und in Dakota ein Gefühl der Desorientierung hervorrief.
Die Piri hatte herausgefunden, dass Lucas Corso eine Art Historiker war, genau gesagt ein ›Xeno-Daten-Archäologe‹, obwohl sie sich darunter nichts Konkretes vorstellen konnte …
Beflissen klärte ihr Ghost sie auf: Xeno-Daten-Archäologen versuchten, Material über die Super-Wissenschaft der Shoal zusammenzutragen, um hinter die Natur dieses überlegenen Wissens zu kommen; normalerweise gingen sie dabei mithilfe der Fernanalyse vor. Notgedrungen fand diese Arbeit meistens im Verborgenen statt und unterlag strengster Geheimhaltung. Corso hatte sich darauf spezialisiert, von den Shoal verwendete Programmiersprachen zu enträtseln.
Das klang ziemlich langweilig, und Dakota verstand beim besten Willen nicht, was dieser Wissenschaftszweig mit der Erforschung eines neuen Sonnensystems zu tun haben sollte. Doch sie war fest davon überzeugt, dass in dieser Information der Schlüssel zu der nebulösen Bemerkung lag, die Udo entschlüpft war.
Was hatte er doch noch gleich gesagt? Wenn du nur wüsstest!
Dakota war sich nicht sicher, ob sie wirklich so genau wissen wollte, was Udo gemeint hatte.
Was sie jetzt dringend brauchte, waren ein paar aufschlussreiche Auskünfte über die Mansells – vor allen Dingen über Udo. Halbherzig ließ sie ihre Ghost-Schaltkreise den Morast aus neuen Daten scannen, in der vagen Hoffnung, etwas Verwertbares zu finden. Ihr wäre schon geholfen, wenn sie etwas über Udo in Erfahrung brächte, das sie gegen ihn verwenden konnte, wenn er sie das nächste Mal …
»Verdammter Mist!«, fluchte sie laut, doch in der winzigen, vollgestopften Kabine klang ihre Stimme gedämpft. »Du machst wohl Witze.«
‹Die Kodierung dieser speziellen
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