Shogun
Enkelin von Herrn Kiyama heiratete. Könnte ich sie mir durch eine solche Drohung meinen Wünschen geneigt machen? Oder sollte ich gar nichts unternehmen? Leid tun konnte einem diese Mariko. So eine bezaubernde Dame! Ach, Buddha, gäbe die eine sensationelle Kurtisane ab! Der Anjin-san konnte einem gleichfalls leid tun. Ist das ein Durchtriebener … auch aus dem könnte ich ein Vermögen herausschlagen.
Wie mache ich mir dieses Geheimnis am besten zunutze?
Nimm dich in acht, Gyoko, rief sie sich zur Ordnung. Viel Zeit, um darüber zu entscheiden, bleibt dir nicht, und über die anderen Geheimnisse auch nicht: über die von den Bauern in Anjiro versteckten Musketen und anderen Waffen zum Beispiel, oder über dieses neue Musketenregiment – Mannschaftsstärke, Offiziere, Organisation und Zahl der Musketen; oder über Toranaga, der in der letzten Nacht in Yokosé sehr schwungvoll das Kopfkissen mit Kiku geteilt und sich dabei des klassischen ›Sechs-seichte-und-fünf-tiefe-Stöße-Rhythmus‹ bedient hatte, insgesamt über hundert Stöße, und zwar mit der Kraft eines Dreißigjährigen, um hinterher zu schlafen wie ein Säugling. Das ist nicht die Leistung eines Mannes, der ihn vor Sorgen kaum hochkriegen kann, neh?
Und wie ist es mit der Todesangst dieses jungfräulichen Priesters mit der Tonsur, der nackt auf den Knien liegend erst heuchlerisch zu seinem Christengott um Vergebung der Sünde gefleht hatte, die er mit dem Mädchen erst begehen wollte – und dann jene andere Sünde, die er in Osaka begangen – merkwürdige Dinge aus dem ›Beichtstuhl‹, die ihm von einem Leprakranken zugeflüstert worden waren, um dann verräterisch an Herrn Harima weitergegeben zu werden. Was Toranaga wohl daraus machen würde?
Was ist mit Omis Zweitem Koch, der es einer Zofe anvertraut hatte, die es wiederum ihrem Liebhaber zugeflüstert, welcher es seinerseits Akiko ins Ohr flüsterte, daß er Omi und seine Mutter belauscht, wie sie den Tod von Kasigi Yabu beschlossen, ihres Lehnsherrn? Ha! Wenn man das verbreitete – dann wäre die Katze los unter den Kasigi-Tauben! Und Omis und Yabus heimliches Angebot an Zataki, wenn man es Toranaga ins Ohr träufeln könnte – oder die Worte, die Zataki im Schlaf sprach, die seine Kissengenossin sich eingeprägt und mir am nächsten Tag für einen ganzen Silber- Chojin verkauft, Worte, aus denen hervorging, daß General Ishido und die Dame Ochiba zusammen speisten und zusammen schliefen, daß Zataki sie hatte grunzen und keuchen hören und aufschreien, als das Yang das Yin bis weit hinab durchdrang. Selbstzufrieden lächelte Gyoko. Erschreckend, neh, so hochgestellte Persönlichkeiten!
Und was war mit jener anderen merkwürdigen Tatsache, daß Herr Zataki seine Kissengefährtin im Augenblick der Wolken und des Regens unbewußt Ochiba genannt? Gyoko gluckste vor Zufriedenheit. All diese herrlichen Geheimnisse erwärmten ihr das Herz. Wie unbezahlbar – oder vielmehr bezahlbar – sie sich machen würden, wenn man sie nur in die richtigen Ohren flüsterte – jene Worte, die Männer zusammen mit ihrem Freudensaft hinausschleuderten? »Er würde es sich anders überlegen«, murmelte sie voller Genugtuung. »O ja, und ob er das tun würde!«
»Was?«
»Nichts, nichts Inari-chan. Habt Ihr gut geschlafen?«
»Was?«
Sie lächelte und ließ ihn wieder in den Schlaf zurücksinken. Und dann, als er bereit war, setzte sie Hände und Lippen ein, um ihm Lust zu verschaffen. Und sich selbst auch.
»Wo ist der Ingeles jetzt, Pater?«
»Genau weiß ich das nicht, Rodrigues. Wahrscheinlich in einem der Gasthöfe südlich von Mishima. Ich habe einen Diener zurückgelassen, der das herausfinden soll.« Alvito tunkte den Rest der Sauce mit einer röschen Brotkruste auf.
» Que vá , ich möchte ihn gern wiedersehen. Ist er wohlauf?« fragte Rodrigues verständig.
»Ja.« Die Schiffsglocke schlug sechs Glasen – drei Uhr nachmittags.
»Hat er Euch erzählt, was er seit Osaka alles erlebt hat?«
»Zum Teil weiß ich das. Von ihm und von anderen. Das ist eine lange Geschichte, und es gibt viel zu erzählen. Erst möchte ich mich allerdings mit meinen Meldungen befassen – hinterher können wir reden.«
Rodrigues lehnte sich auf dem Stuhl in der kleinen Heckkammer zurück. »Gut. Das wäre sehr schön.« Er sah die scharfen Züge des Jesuiten, die gelbgesprenkelten braunen Augen. Katzenaugen. »Hört, Pater«, sagte er, »der Ingeles hat mir mein Schiff und das Leben gerettet.
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