Shogun
nicht nach Eurer Meinung gefragt.«
»Bitte, verzeiht, Euer Gnaden. Ich habe mich im Ton vergriffen.«
»Ich weiß!« Hiro-matsu lachte. »Und trotzdem gibt es Augenblicke, wo wir auf die kalt berechnende, listige und handfeste Klugheit einer Frau angewiesen sind. Sie sind soviel klüger als wir, neh?«
»O nein, Euer Gnaden«, sagte sie und überlegte, worauf er wohl hinauswollte. »Gut, daß wir ganz allein sind und uns niemand hören kann. Wenn das in der Öffentlichkeit die Runde machte, dann würde es heißen, die alte Eisenfaust sei mehr als reif, es würde Zeit, daß er sein Schwert ablegte, sich den Kopf rasierte und anfinge, zu Buddha zu beten für die Seelen jener, die er in die Große Leere geschickt hat. Und damit hätten sie recht.«
»Nein, Euer Gnaden. Es ist so, wie Euer Sohn sagte. Ehe das Schicksal unseres Gebieters nicht feststeht, dürft Ihr Euch nicht zurückziehen. Weder Ihr noch mein Gatte, noch ich.«
»Ja. Und trotzdem wäre ich froh, ich könnte mein Schwert niederlegen und um meiner selbst als auch um der Toten willen, die ich in die Große Leere geschickt habe, meinen Frieden mit Buddha zu machen.«
Eine Weile starrte er hinaus in die Nacht. Sein Alter kam ihm zum Bewußtsein. Dann sah er sie an. Sie war eine Augenweide – mehr als je eine Frau, die er gekannt.
»Euer Gnaden?«
»Nichts, Mariko-san. Ich mußte nur gerade daran denken, wie ich Euch das erste Mal gesehen habe.«
Das war in der Zeit gewesen, da Hiro-matsu heimlich seine Seele an Goroda verpfändet hatte, um dieses Bild von einem Mädchen für seinen Sohn zu bekommen – diesen Sohn, der seine eigene Mutter umgebracht, die einzige Frau, die Hiro-matsu je wirklich geliebt. Warum habe ich ihm Mariko verschafft? Nur um dem Taikō eins auszuwischen, der sie gleichfalls begehrte.
Ob meine Gattin mir wohl wirklich untreu gewesen ist? fragte sich der alte Mann und riß damit eine alte Wunde wieder auf. Ja oder nein? Ich verlange, die Wahrheit zu erfahren! Ich glaube, es war eine Lüge, aber Buntaro behauptete, sie sei allein mit diesem Mann im Raum gewesen, ihr Kimono in Unordnung, und es sollten ja auch noch Monate vergehen, ehe ich wiederkam. Immerhin könnte es eine Lüge sein, neh? Aber auch die Wahrheit, neh? Es muß die Wahrheit sein, denn wie sollte ein Sohn es sonst fertigbringen, seiner eigenen Mutter den Kopf abzuschlagen?
Mariko forschte in Hiro-matsus Zügen; seine Gesichtshaut war im Alter schlaff und faltig geworden. Dann dachte sie an die Bärenkraft in seinen Armen und Schultern. Woran mag er wohl denken, überlegte sie, denn sie mochte ihn gern. Hast du mich durchschaut? Weißt du über mich und den Anjin-san Bescheid? Weißt du, daß ich vor Liebe zu ihm zittere? Daß, wenn ich zwischen ihm und Toranaga und dir zu wählen hätte, ich mich für ihn entscheiden würde?
Hiro-matsu stand an der Brustwehr und blickte auf die Stadt hinab; seine Finger spielten mit der Scheide und dem Heft seines Schwertes; sie schien vergessen. Brütend dachte er über Toranaga nach und darüber, was Zataki vor ein paar Tagen voller Bitterkeit und Abscheu zu ihm gesagt – einem Abscheu, den er geteilt hatte.
»Ja, selbstverständlich möchte ich den Kwanto erobern, meine Standarte auf der Burg von Yedo aufpflanzen und beides an mich reißen«, hatte Zataki ihm gesagt. »Aber so? Darin liegt keine Ehre! Ehre weder für meinen Bruder noch für Euch, noch für mich! Nur für Ishido, aber der Bauer weiß es eben nicht besser.«
»Dann unterstützt Herrn Toranaga! Mit Eurer Hilfe könnte er …«
»Wozu? Damit mein Bruder Shōgun werden kann und den Erben auslöscht?«
»Er hat gesagt, daß er für den Erben eintritt. Ich glaube daran, daß er das tut. Außerdem hätten wir einen Minowara, der uns anführt, und nicht den Abkömmling eines Bauern und die Höllenkatze Ochiba, neh?«
»Kein Minowara würde jemals vor diesem Bauern die Knie beugen! Er hat auf seine und auf unser aller Ehre gepißt. Auf Eure und auf meine.«
So hatten sie unter vier Augen gestritten und sich gegenseitig verflucht, und es hätte nicht viel gefehlt, dann wären sie aufeinander losgegangen. »Macht schon«, hatte er Zataki herausgefordert, »zieht schon blank, Verräter! Ihr seid ein Verräter an Eurem Bruder, dem Oberhaupt Eures Klans.«
»Ich bin das Oberhaupt meines eigenen Klans. Wir haben zwar dieselbe Mutter, nicht aber denselben Vater. Toranagas Vater hat meine Mutter in Schande fortgeschickt. Ich helfe Toranaga nicht – aber wenn er
Weitere Kostenlose Bücher