Shogun
gebeten. Ich möchte einen Wunsch als Hatamoto …«
»Ich möchte nicht, daß Ihr einen Wunsch als Hatamoto äußert!« sagte Toranaga.
»Dann einen Lebenswunsch.«
»Ich bin nicht Euer Gatte, den zu erfüllen.«
»Bisweilen darf aber ein Vasall seinen Lehnsherrn …«
»Ja, manchmal, aber nicht im Augenblick! Ihr werdet jetzt Euren Mund halten und nicht von irgendwelchen Lebenswünschen oder Gefallen reden.« Ein Lebenswunsch war ein Gunstbeweis, um den einer uralten Sitte gemäß eine Frau ihren Mann bitten konnte oder ein Sohn seinen Vater – gelegentlich sogar ein Mann seine Frau –, ohne dabei das Gesicht zu verlieren; und zwar unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß, wenn dem Wunsch entsprochen wurde, der oder die Betreffende damit einverstanden war, niemals wieder im Leben einen Wunsch zu äußern. Der Sitte entsprechend durften über derlei Bitten keine Fragen gestellt und die Bitte nie wieder erwähnt werden.
Es wurde höflich an die Tür gepocht.
»Entriegelt sie«, sagte Toranaga.
Sie gehorchte. Sudara trat ein. Seine Gemahlin, die Dame Genjiko, und Naga folgten ihm.
»Naga-san, geht hinunter auf den zweiten Treppenabsatz, und hindert jeden daran, ohne meinen ausdrücklichen Befehl heraufzukommen.«
Naga stolzierte davon.
»Ich habe Euch beide herbefohlen, weil es dringende Familienangelegenheiten zu besprechen gibt, die niemand etwas angehen.«
Sudaras Blick wanderte unwillkürlich zu Mariko und dann wieder zurück zu seinem Vater. Die Dame Genjiko blieb regungslos.
Toranaga sagte rauh: »Sie ist aus zwei Gründen hier, mein Sohn: Erstens, weil ich sie hier haben möchte; und zweitens, weil ich sie hier haben möchte.«
»Ja, Vater«, erwiderte Sudara und schämte sich ob der Unhöflichkeit, die sein Vater ihnen allen gegenüber an den Tag legte. »Dürfte ich bitte fragen, wieso ich Euch gekränkt hätte?«
»Gibt es einen Grund, weshalb ich gekränkt sein sollte?«
»Nein, Euer Gnaden, es sei denn, mein Eifer für Eure Sicherheit und mein Zögern, Euch zu gestatten, diese Erde zu verlassen, wären ein Grund, gekränkt zu sein.«
»Wie wäre es mit Verrat? Ich höre, Ihr wagt es, meinen Platz als Führer unseres Klans zu beanspruchen?«
Sudara erbleichte. Die Dame Genjiko desgleichen. »Ich habe das weder in Gedanken, Worten oder Taten jemals getan. Genausowenig irgend jemand in meiner Familie in meiner Gegenwart.«
»Das ist die lautere Wahrheit«, sagte die Dame Genjiko gleichermaßen unerschrocken.
Sudara war ein stolzer, hagerer Mann mit kalten, schmalen Augen und dünnen Lippen, die nie lächelten. Er war vierundzwanzig Jahre alt, ein ausgezeichneter General und der Zweitälteste von Toranagas fünf lebenden Söhnen. Er liebte seine Kinder, hatte keine Nebenfrauen und war seiner Frau hingebungsvoll ergeben.
Genjiko war klein, drei Jahre älter als ihr Mann und durch die vier Kinder, die sie ihm geboren, bereits etwas auseinandergegangen. Sie hatte jedoch einen kerzengeraden Rücken und besaß den gleichen stolzen und rücksichtslosen Beschützerinstinkt für ihre Brut wie ihre Schwester Ochiba; daneben aber die unter der ruhigen Oberfläche lauernde Wildheit, die sie von ihrem Großvater Goroda hatte.
»Wer hat meinen Gatten der Lüge bezichtigt?« sagte sie.
»Mariko-san«, sagte Toranaga, »fragt die Dame Genjiko, was Euer Gatte Euch zu fragen befohlen hat.«
»Mein Gebieter, Herr Buntaro, bat mich, ja, befahl mir, Euch davon zu überzeugen, daß die Zeit für Herrn Sudara gekommen sei, die Macht zu übernehmen, daß andere im Rat die Ansicht meines Gatten teilten; daß sie ihm, falls unser Gebieter nicht willens sei, die Macht in andere Hände zu legen … mit Gewalt entrissen werden sollte.«
»Mit diesem Gedanken hat nie einer von uns gespielt, Vater«, sagte Sudara. »Wir sind Euch treu ergeben und würden niemals …«
»Wenn ich Euch die Macht übertrüge, was würdet Ihr tun?« fragte Toranaga.
Genjiko antwortete an seiner Stelle: »Woher soll Herr Sudara das wissen, wo er doch nie an eine solch ruchlose Möglichkeit gedacht hat? Verzeiht, Euer Gnaden, aber es ist ihm nicht möglich, auf diese Frage zu antworten. Und was Buntaro-san betrifft … offenbar haben die Kami Besitz von ihm ergriffen.«
»Buntaro behauptet, andere teilten seine Meinung.«
»Wer?« fragte Sudara giftig. »Sagt mir, wer, und sie sterben im selben Augenblick.«
»Ihr sagt mir, wer!«
»Ich weiß es nicht, Euer Gnaden, sonst hätte ich Euch davon berichtet.«
»Ihr
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