Shogun
die Dinge womöglich ganz einfach ihren Lauf genommen haben. So wie die Dinge jetzt liegen«, fuhr er fort, »gebt Ihr mir die Möglichkeit einzugreifen.«
»Euer Gnaden?«
Er würdigte sie keiner Antwort. Er überlegte: Ich wünschte, Hiro-matsu wäre hier, dann wäre jedenfalls ein Mann da, dem ich voll und ganz vertrauen kann. »Und wie steht es mit Euch? Wie ist es um Eure Treue bestellt?«
»Bitte, Euer Gnaden, Ihr wißt, daß ich Euch fraglos ergeben bin.«
Abermals sagte er nichts dazu, sondern sah sie nur durchdringend an.
Die Innentür ging auf, und Chano, die Nonne, betrat den Raum. »Hier, großer Herr, der Cha war schon bereit für Euch.« Sie kniete nieder wie eine Bäuerin und auch ihre Hände waren rauh wie die einer Bäuerin, doch ihre Selbstsicherheit war gewaltig, und daß sie innerlich zufrieden war, merkte man ihr an. »Möge Buddha Euch seinen Frieden schenken.« Dann wandte sie sich Mariko zu, verneigte sich und hockte sich dann wieder bequem hin. »Vielleicht erweist Ihr mir die Ehre, den Cha einzuschenken, Dame. Ihr würdet es jedenfalls tun, ohne zu tropfen, neh?« Ihre Augen glänzten vor innerer Heiterkeit.
Toranaga sagte: »Chano-chan, das hier ist die Dame Toda Mariko-noh-Buntaro.«
»Ah, so desu, verzeiht, aber ich dachte schon, Ihr wäret eine der geehrten Damen meines großen Herrn. Bitte, verzeiht mir, Dame Toda, möge die Gnade Buddhas über Euch walten.«
»Ich danke Euch«, sagte Mariko. Sie bot Toranaga eine Schale Cha dar, der sie entgegennahm und trank.
»Gießt für Euch und für Chano-san auch ein«, sagte er.
»Verzeiht, für mich bitte nicht, großer Herr, wenn Ihr gestattet. Meine Backenzähne können soviel Cha nicht vertragen, und der, Kübel ist weit für diese alten Knochen.«
»Ein bißchen Bewegung würde Euch guttun«, sagte Toranaga, froh, daß er sie hatte kommen lassen, als er Yedo erreicht hatte.
»Ja, großer Herr, Ihr habt recht … wie immer.« Chano wandte ihre arglose Aufmerksamkeit wieder Mariko zu. »So, dann seid Ihr also Herrn Akechi Jinsais Tochter.«
Marikos Schale verharrte in der Luft. »Ja, bitte, verzeiht mir …«
»Ach, da gibt es nichts zu verzeihen, Kind.« Chano lachte freundlich auf. »Ohne Euren Namen konnte ich Euch nicht unterbringen, verzeiht, aber das letzte Mal, daß ich Euch sah, war bei Eurer Hochzeit.«
»Ach?«
»O ja, ich habe Euch bei Eurer Hochzeit gesehen. Ich habe hinter einem Wandschirm hervorgespäht: Auf Euch und all die Großen, den Diktator und Nakamura, dem späteren Taikō, und alle großen Edelleute. Ach, mich in solch erlauchter Gesellschaft zu bewegen, dazu war ich viel zu schüchtern. Aber es war eine herrliche Zeit für mich. Die schönste meines Lebens. Das war im zweiten Jahr, da mein großer Herr mir seine Gunst geschenkt, und ich war hochschwanger …« Ihre Haut um die Augen herum legte sich in tausend Fältchen, und sie fügte hinzu: »Ihr habt Euch seit jener Zeit kaum verändert, Ihr seid immer noch eine von Buddhas Auserwählten.«
»Ach, ich wünschte, das wäre wahr, Chano-san.«
Toranaga sagte: »Sie ist Christin.«
»So, Christin … was spielt das bei einer Frau schon für eine Rolle, Christin oder Buddhistin? Wenngleich Frauen schon einen Gott brauchen, großer Herr, um mit den Männern fertig zu werden.« Chano gluckste fröhlich.
»Und wir Männer brauchen Geduld, göttergleiche Geduld, um mit den Frauen fertig zu werden, neh?«
Die Frau lachte, und es wurde freundlicher im Raum, und für einen Augenblick nahm sie Mariko etwas von ihren dunklen Vorahnungen. »Jawohl, großer Herr«, fuhr Chano fort, »und all das nur wegen eines Himmlischen Pavillons, der keine Zukunft hat, wenig Wärme, eher etwas von der Hölle.«
Toranaga grunzte: »Was sagt Ihr dazu, Mariko-san?«
»Die Dame Chano ist weise für ihr Alter«, sagte Mariko.
»Ach, Dame, Ihr versteht es, einer alten Närrin hübsche Dinge zu sagen«, erklärte die Nonne. »Ich erinnere mich noch so gut an Euch. Ihr trugt einen blauen Kimono mit dem schönsten Kranichmuster, das ich jemals gesehen habe. Silbern war das.« Ihre Augen suchten Toranaga. »Nun, großer Herr, ich wollte nur für einen Augenblick bleiben. Bitte, entschuldigt mich jetzt.«
Lautlos schloß sich die Tür hinter ihr. Mariko wartete, bis Toranagas Schale leer war, dann schenkte sie ihm erneut ein.
»Woran denkt Ihr?«
»Ich habe gewartet, Euer Gnaden.«
»Auf was, Mariko-san?«
»Herr, ich bin Hatamoto. Ich habe nie zuvor um einen Gefallen
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