Shogun
Chinesische Krankheit wird ihn bald erledigen, und dann haben wir endlich Ruhe vor seiner schlechten Laune und seinem Gestank«, sagte jemand.
»Wann kommt er denn zurück?«
»Wer weiß? Wir wissen ja nicht einmal, warum Toranaga-sama ihn in den Norden geschickt hat. Am besten bleibt er gleich da, neh?«
»Wenn Ihr mit dieser Krankheit behaftet wäret, würdet Ihr auch so schlechter Laune sein wie er, neh?«
»Eeeee«, pfiff der Ratgeber durch die Zähne. »Heute abend scheinen Teufel durch die Luft zu fliegen, daß ihr alle so unbekümmert drauflos redet.«
»Wenn Herr Toranaga es sich nur mit Osaka anders überlegen würde!« sagte Yabu.
»Ich würd' mir den Bauch aufschlitzen, wenn ich ihn damit überzeugen könnte«, meinte der junge Mann.
»Ich will Euch ja nicht kränken, mein Sohn, aber Ihr tragt den Kopf in den Wolken. Er wird es sich niemals anders überlegen.«
Yabu schwieg. Sie hingen alle wieder ihren eigenen Gedanken nach.
Eine Seitentür ging auf. Toranaga trat ein. Sudara folgte ihm. Alle verneigten sich sehr steif. Toranaga erwiderte die Verneigung und setzte sich ihnen gegenüber, Sudara als sein mutmaßlicher Erbe ein wenig schräg vor ihn. Auch er hatte das Gesicht den anderen zugewandt. Naga trat durch die Haupttür ein.
Nur Toranaga trug Schwerter.
»Es ist mir zu Ohren gekommen, daß einige von euch von Verrat sprechen, auf Verrat sinnen und Verrat planen«, sagte er kalt. Alle schwiegen, keiner bewegte sich. Langsam und unnachsichtig blickte Toranaga von einem Gesicht zum anderen.
Noch immer waren alle wie gelähmt. Dann brach General Kiyoshio das Schweigen. »Dürfte ich in aller Ehrerbietung fragen, was Ihr unter Verrat versteht, Euer Gnaden?«
»Wann immer ein Befehl in Frage gestellt wird, oder eine Entscheidung, oder die Stellung eines Lehnsherrn, zu welcher Zeit auch immer – das ist Verrat«, erklärte Toranaga.
Der Rücken des Generals versteifte sich. »Dann bin ich des Verrats schuldig.«
»Dann geht hinaus und begeht Seppuku, augenblicklich.«
»Das werde ich tun, Euer Gnaden«, erklärte der Soldat stolz, »doch zuvor verlange ich das Recht der freien Rede vor Euren treuen Vasallen, Offizieren und dem Rat …«
»Ihr habt Euch aller Rechte begeben!«
»Sehr wohl. Dann erbitte ich es als Todeswunsch – als Hatamoto – und als Lohn für achtundzwanzig Jahre treuer Dienste.«
»Faßt Euch bitte kurz, sehr kurz!«
»Das werde ich«, erklärte General Kiyoshio eisig. »Nach Osaka zu ziehen und vor dem Bauern Ishido Kotau zu machen, ist Verrat an Eurer Ehre, der Ehre Eures Klans und der Ehre Eurer getreuen Vasallen, an Eurem ganz besonderen Auftrag, und es verstößt ganz und gar gegen das Bushido, den Weg des Kriegers. Zweitens: Ich bezichtige Euch dieses Verrats und erkläre, daß Ihr dieserhalb das Recht verwirkt habt, unser Lehnsherr zu sein. Drittens: Ich ersuche Euch, zugunsten von Herrn Sudara zurückzutreten und ehrenhaft aus diesem Leben zu scheiden – oder Euch den Kopf zu scheren und Euch in ein Kloster zurückzuziehen, was immer Ihr vorzieht.«
Der General verneigte sich steif und wippte dann zurück auf seine Fersen. Alle warteten und wagten kaum zu atmen, jetzt, wo das Unvorstellbare Wirklichkeit geworden war.
Unvermittelt zischte Toranaga: »Worauf wartet Ihr noch?«
General Kiyoshio starrte zurück. »Auf nichts, Euer Gnaden. Bitte, verzeiht mir!« Sein Sohn schickte sich an aufzustehen.
»Nein! Ich befehle Euch hierzubleiben!«
Der General verneigte sich ein letztes Mal vor Toranaga, erhob sich dann und schritt mit unendlicher Würde hinaus. Einige ruckten nervös, und eine untergründige Bewegung ging durch den Raum, doch gleich darauf gewann Toranagas Barschheit wieder die Oberhand über sie. »Ist noch jemand da, der zugibt, Verrat begangen zu haben? Noch jemand, der es wagt, gegen das Bushido zu verstoßen, noch jemand, der die Stirn hat, seinen Lehnsfürsten des Verrats zu bezichtigen?«
»Verzeiht, bitte, Euer Gnaden«, sagte Isamu, der alte Ratgeber, in aller Ruhe. »Ich bedaure, es sagen zu müssen, aber wenn Ihr nach Osaka geht, dann ist das Verrat an Eurem ererbten Auftrag.«
»An dem Tag, da ich nach Osaka ziehe, werdet Ihr diese Erde verlassen!«
Der grauhaarige alte Mann verneigte sich. »Jawohl, Euer Gnaden.«
Toranaga blickte über sie hinweg – erbarmungslos. Jemand bewegte sich voller Unbehagen, und es war, als ob er ihn mit den Augen erschlagen wollte. Der Samurai, ein Krieger, der vor Jahren seinen Wunsch zu
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