Shogun
fühlt Ihr Euch?«
»Gut, Ingeles. Nur das Bein brennt wie das höllische Feuer, mein Schädel platzt, ich muß pissen, und meine Zunge schmeckt wie ein Kübel Schweinescheiße.« Blackthorne reichte ihm den Nachttopf und leerte ihn hinterher durch das Bullauge. Dann füllte er den Humpen wieder mit Grog.
»Ihr würdet eine miserable Krankenpflegerin abgeben, Ingeles. Das kommt, weil Ihr ein schwarzes Herz habt.« Rodrigues lachte und es tat wohl, ihn wieder lachen zu hören. Seine Augen wanderten zu dem roteiro , der aufgeschlagen auf dem Tisch lag, dann zu seiner Seekiste. Er sah, daß sie geöffnet worden war. »Hab' ich Euch den Schlüssel gegeben?«
»Nein. Ich hab' Euch durchsucht. Ich brauchte die echten roteiros . Das hab' ich Euch auch gesagt, als Ihr die erste Nacht aufgewacht seid.«
»Schön. Ich erinnere mich zwar nicht mehr, aber es ist in Ordnung. Hört zu, Ingeles, kommt und besucht mich in Osaka – dann könnt Ihr meinen roteiro kopieren, wenn Ihr wollt.«
»Danke, aber das habe ich bereits besorgt. Das heißt, ich habe ihn so weit kopiert, wie ich konnte, und den Rest sehr sorgfältig durchgelesen.«
» Vuestra madre !« fluchte Rodrigues. Dann fuhr er auf portugiesisch fort: »Jedesmal, wenn ich spanisch rede, kommt es mir hoch, obgleich man auf spanisch besser fluchen kann als in jeder anderen Sprache. Da ist ein Paket in meiner Seekiste. Bitte, gebt es mir.«
»Das mit den Jesuitensiegeln?«
Er reichte es ihm. Rodrigues betrachtete es von allen Seiten, fingerte an den unversehrten Siegeln herum, schien es sich dann jedoch anders zu überlegen und steckte das Paket unter die rauhe Wolldecke, unter der er lag, und legte den Kopf wieder zurück. »Das Leben ist schon merkwürdig! Wenn ich noch lebe, so nur wegen der Gnade Gottes, zu der ein Ketzer und ein Japs das Ihre beigetragen haben. Schickt doch den Kacker mal runter, damit ich ihm danken kann, eh?«
»Gleich?«
»Später. – Doch was diese Flotte betrifft – von der Ihr behauptet, daß sie Manila angreift, von der Ihr dem Pater erzählt habt – war das die Wahrheit, Ingeles?«
»Eine Kriegsflotte von uns wird Euer Reich in Asien zerschlagen, oder?«
»Gibt es eine solche Flotte?«
»Selbstverständlich.«
»Wie viele Schiffe hattet Ihr in Eurem Geschwader?«
»Fünf. Die anderen sind draußen auf See. Ich bin vorausgeeilt, um mal zu sehen, wie es in Japan ist, und dabei bin ich in einen Sturm geraten.«
»Auch wieder Lügen, Ingeles. Aber was soll's – ich habe meinen Häschern auch so manchen Bären aufgebunden. Es gibt keine anderen Flotten oder Schiffe.« Rodrigues nahm einen gewaltigen Schluck.
Blackthorne streckte sich und trat ans Bullauge. Er wollte dieser Unterhaltung ein Ende setzen und sah zur Küste und zur Stadt hinüber. »Ich hatte immer gedacht, London wäre die größte Stadt der Welt, aber verglichen mit Osaka ist es eine Kleinstadt.«
»Sie haben Dutzende solcher Städte«, sagte Rodrigues, gleichfalls froh, mit diesem Katz-und-Maus-Spiel aufzuhören. »Miyako, die Hauptstadt, oder Kyoto, wie sie bisweilen auch genannt wird, ist die größte Stadt des Reiches, mehr als doppelt so groß wie Osaka. Dann Yedo, Toranagas Hauptstadt. Ich bin zwar nie dort gewesen, und auch kein Priester oder sonst ein Portugiese – Toranaga hält seine Hauptstadt verschlossen, Yedo ist eine Verbotene Stadt. Ganz Japan ist uns offiziell verboten, bis auf die Häfen von Nagasaki und Hirado. Doch unsere Priester kümmern sich mit Recht nicht sonderlich um diese Anordnungen, sie kommen und gehen, wie es ihnen beliebt. Aber wir Seeleute und die Kaufleute können das nicht, es sei denn, wir hätten einen besonderen Paß. Außerhalb von Nagasaki oder Hirado kann jeder Daimyo sich unserer Schiffe bemächtigen – so lautet ihr Gesetz.«
»Wollt Ihr Euch jetzt nicht ausruhen?«
»Nein, Ingeles! Reden ist besser. Reden hilft einem, nicht an die Schmerzen zu denken. Madonna, brummt mir der Schädel! Laßt uns noch reden, bis Ihr an Land geht. Und kommt zurück, und besucht mich – es gibt noch soviel, was ich Euch fragen möchte. Gebt mir noch ein bißchen von dem Grog. Danke, danke, Ingeles.«
»Warum ist es Euch nicht gestattet hinzugehen, wohin Ihr wollt?«
»Was? Ach, hier in Japan? Das war der Taikō – bei ihm hat es mit den ganzen Schwierigkeiten angefangen. Seit wir 1542 hierherkamen, um Gottes Werk zu beginnen und ihnen die Zivilisation zu bringen, konnten wir und unsere Priester uns frei bewegen, doch als der
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