Shogun
habe keine Ahnung. Kommt wieder her, und besucht mich, wenn Ihr könnt.«
»Jawohl. Und Mast- und Schotbruch, Spanier!«
» Esperma vuestra ! – Trotzdem, geht mit Gott!«
Blackthorne erwiderte das Lächeln, rückhaltlos, und dann war er an Deck. In seinem Geist drehte es sich, so überwältigend war der Eindruck von Osaka, der riesigen Ausdehnung der Stadt, den Straßen, in denen es wimmelte wie in einem Ameisenhaufen, und der gewaltigen Schloß-Burg, die die Stadt beherrschte. Aus der Mitte des riesigen Bauwerks ragte trutzig der Bergfried oder Hauptturm: sieben oder acht Stockwerke hoch, Spitzgiebel mit geschwungenen Dächern an jedem Stock, die Dachziegel alle vergoldet, die Mauern blau.
Darin also wird Toranaga sein, dachte er, der unvermittelt das Gefühl hatte, einen Eisklumpen im Magen zu haben.
Eine verhängte Sänfte brachte ihn zu einem großen Haus. Dort wurde er gebadet und bekam zu essen: die unvermeidliche Fischsuppe, rohen und gedünsteten Fisch, Essiggemüse und das heiße Kräuterwasser. Statt der Buchweizengrütze gab es in diesem Haus eine Schale Reis. Er hatte bereits in Neapel einmal Reis gesehen. Er mochte weiß und gesund sein, doch für seinen Geschmack war er fade. Sein Magen verlangte heftig nach Fleisch und Brot, frischgebackenem Brot mit röscher Kruste und Butter darauf, und einem anständigen Stück Rindfleisch und Pasteten, Geflügel und Bier und Eier.
Am nächsten Tag kam ein Mädchen zu ihm. Die Kleider, die er von Rodrigues hatte, waren gewaschen und gebügelt. Sie sah zu, als er sich anzog, und half ihm in die neuen Tabi – die Strumpfschuhe. Draußen stand ein neues Paar Riemensandalen, von seinen Stiefeln keine Spur. Sie schüttelte den Kopf und wies erst auf die Sandalen und dann auf die verhangene Sänfte. Eine Phalanx von Samurai stand um sie herum. Der Anführer gab ihm zu verstehen, sich zu beeilen und einzusteigen.
Es ging sofort los. Die Vorhänge waren dicht zugezogen. Nach einer Ewigkeit blieb die Sänfte stehen: Das gigantische steinerne Tor der Burg ragte vor ihm auf. Es war in die zehn Meter hohe Mauer mit den ineinander verschachtelten Zinnen, Bollwerken und Außenwerken eingelassen. Die eisenbeschlagenen Torflügel standen offen; das schmiedeeiserne Fallgitter war hochgezogen. Dahinter überspannte eine zwanzig Schritt breite, hundert Schritt lange Brücke den Wallgraben und endete in einer gewaltigen Zugbrücke vor einem ebenso gewaltigen Tor, das in die zweite Ringmauer eingelassen war.
Überall standen Hunderte von Samurai. Alle trugen sie die gleiche düstere graue Uniform: von Schärpen gehaltene Kimonos, deren jeder mit vier kleinen runden Wappenzeichen verziert war, eines auf jedem Arm, eines auf der Brust und eines mitten auf dem Rücken. Das Zeichen war blau und stellte offenbar eine Blume oder Blüten dar.
»Anjin-san!«
Hiro-matsu saß wie eine Statue in einer nichtverhängten Sänfte, die von vier livrierten Trägern getragen wurde. Sein Kimono war braun und steif, als wäre er gestärkt. Auch ihre Kimonos wiesen Wappenzeichen auf, aber diese waren scharlachrot, genauso wie dasjenige, das an der Mastspitze der Galeere geflattert hatte: Toranagas Wappenzeichen. Diese Samurai trugen lange, mit kleinen Wimpeln besetzte schimmernde Speere.
Ohne nachzudenken verneigte Blackthorne sich. Hiro-matsus Erhabenheit überwältigte ihn. Der alte Mann erwiderte die Verneigung förmlich und gab ihm durch eine Geste zu verstehen, er solle ihm folgen.
Der Offizier am Tor trat auf sie zu. Zeremoniell wurde das Papier gelesen, das Hiro-matsu vorwies, dann gab es viele Verneigungen und Blicke auf Blackthorne, erst dann durften sie weiter auf die Brücke, wobei eine Eskorte von Grauen links und rechts von ihnen einfiel.
Der Wasserspiegel des Grabens lag fünfzehn Meter unter ihnen und erstreckte sich zu beiden Seiten an die dreihundert Schritt, um dann den Mauern zu folgen, die nach Norden und Süden abbogen, und Blackthorne mußte unwillkürlich denken: Herrgott, wenn ich hier jemals versuchen müßte, einen Angriff vorzutragen! Die Verteidiger konnten ohne weiteres die äußere Garnison untergehen lassen und die Brücke hinter sich verbrennen, dann würden sie drinnen sicher sein. Die äußere Mauer muß mindestens eine Meile lang sein – und sieh doch nur, sieben bis zehn Meter dick – und die innere desgleichen. Sie besteht aus riesigen Steinquadern, die vollendet bearbeitet, ohne Mörtel miteinander verbunden und ineinandergefügt sind. Sie müssen
Weitere Kostenlose Bücher