Shogun
ich verabscheue ihn!
Fast eine ganze Stunde lang wehrte Yabu sich gegen die See und gegen das Schwinden der eigenen Körperkräfte, und dann, als es fast schon dunkel war, kam Takatashi mit den Seilen zurück. Sie knüpften eine Art Wiege und schlidderten die Felswand hinunter wie Affen – und zwar mit einer Geschicklichkeit, wie Blackthorne sie an Land noch nie erlebt hatte.
Rasch wurde Rodrigues nach oben gebracht. Blackthorne hätte versucht, ihm zu helfen, doch ein Japaner mit kurzgeschorenem Haar lag bereits auf den Knien neben ihm. Er sah zu, wie dieser Mann, offenbar ein Wundarzt, sich das gebrochene Bein ansah. Dann hielt ein Samurai Rodrigues an den Schultern fest, während der Arzt sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Fuß legte – und der Knochen glitt zurück unters Fleisch. Mit den Fingern tastete er die Bruchstelle ab, schob die Knochen zurecht, bis sie wieder zusammenpaßten, und legte ihm dann eine Schiene an. Er begann, widerwärtig aussehende Kräuter um die böse Wunde herum aufzulegen, und dann wurde Yabu heraufgebracht.
Der Daimyo wies mit einer verächtlichen Gebärde alle Hilfe von sich, schickte den Arzt wieder zu Rodrigues und wartete.
Blackthorne sah ihn an. Yabu spürte seinen Blick. Die beiden Männer starrten sich gegenseitig an.
»Danke«, sagte Blackthorne schließlich und wies auf Rodrigues. »Ich danke Euch, daß Ihr ihm das Leben gerettet habt. Danke, Yabu-san!« Er verneigte sich betont. Das gilt deinem Mut, du schwarzäugiger Sohn einer Dreckshure!
Yabu erwiderte die Verneigung genauso steif. Aber in seinem Inneren lächelte er.
Zweites Buch
10. Kapitel
Die Fahrt von der Bai nach Osaka verlief ohne besondere Zwischenfalle. Rodrigues' roteiros erwiesen sich als ebenso ausführlich wie genau. In der ersten Nacht kam der Portugiese wieder zu Bewußtsein. Anfangs bildete er sich ein, er sei tot, doch dann belehrte der Schmerz ihn eines Besseren.
»Sie haben Euer Bein wieder zusammengefügt und es verbunden«, sagte Blackthorne. »Und Eure Schulter ist bandagiert. Ihr hattet Euch den Arm ausgekugelt. Zur Ader lassen wollten sie Euch nicht, so sehr ich auch versuchte, sie dazu zu bringen.«
»Das können die Jesuiten tun, sobald wir in Osaka sind.« Rodrigues' gequälte Augen schauten ihn eindringlich an. »Wie bin ich hierhergekommen, Ingeles? Ich erinnere mich, daß ich über Bord ging, aber an weiter nichts.«
Blackthorne erzählte es ihm.
»Dann verdanke ich Euch mein Leben. Gott verfluche Euch!«
»Vom Achterdeck aus sah es aus, als ob wir es bis in die Bucht schaffen könnten. Vom Bugsprit aus, wo Ihr wart, muß Euer Blickwinkel um ein paar Grad anders gewesen sein. Und das mit der Sturzsee war einfach Pech.«
»Darüber mach' ich mir keine Sorgen. Ihr hattet das Achterdeck unter Euch, und die Ruderpinne. Das wußten wir beide. Nein, ich verfluche Euch nur, weil ich Euch mein Leben verdanke – Madonna, mein Bein!« Tränen des Schmerzes stiegen ihm in die Augen, und Blackthorne reichte ihm einen Becher Grog und hielt den Rest der Nacht über Wache bei ihm. Der Sturm ließ allmählich nach. Der japanische Arzt kam mehrmals und zwang Rodrigues, Medin zu nehmen, legte ihm heiße Handtücher auf die Stirn und ließ die Bullaugen öffnen.
Gegen Morgengrauen ging Blackthorne an Deck. Hiro-matsu und Yabu standen beieinander. Er verneigte sich wie ein Höfling. »Guten Morgen. Osaka?«
Sie erwiderten die Verneigung. »Osaka. Hai, Anjin-san«, sagte Hiro-matsu.
»Hai, isogi, Hiro-matsu-sama. Käpt'n-san! Lichtet die Anker!«
Er mußte Yabu unwillkürlich anlächeln; Yabu erwiderte das Lächeln, humpelte dann fort, und Blackthorne dachte: Dieser Mann ist wahrhaftig ein toller Bursche – und dabei doch ein Teufel und ein Mörder. Bist du nicht auch ein Mörder? – Ja – aber nicht so, sagte er sich.
Die Reise dauerte den ganzen Tag und die Nacht. Kurz nach der Morgendämmerung des nächsten Tages waren sie in der Straße von Osaka. Ein japanischer Lotse kam an Bord, um das Schiff zu seinem Liegeplatz zu bringen, und auf diese Weise von seiner Verantwortung entbunden, ging Blackthorne froh nach unten und schlief.
Später rüttelte der Kapitän ihn wach, verneigte sich und gab ihm zu verstehen, daß er sich bereithalten solle, mit Hiro-matsu zu gehen, sobald sie festgemacht hätten.
»Wakarimasu ka, Anjin-san?«
»Hai.«
Der Kapitän zog sich zurück. Blackthorne reckte sich, sein Rücken schmerzte ihn – da sah er, daß Rodrigues ihn beobachtete.
»Wie
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