Shon'jir – die sterbende Sonne
war respektlos nahe an der FLOWER ausgebrochen. Der Dampf machte die Luft feucht und neblig. Duncan sog sie tief ein, kümmerte sich nicht um ihren fauligen Geruch, war dankbar dafür, seinen Weg allein zurückzulegen, schweigend, ohne Galey. Er hatte Kopfschmerzen, stellte er gerade fest. Er ließ sich Zeit und empfand nichts als Freude an der Nacht unter dem größeren von Kesriths Monden, mit kalter Luft und glitzernden Sternen; und weit, weit jenseits der Ebenen beleuchteten Lampen die Geysire, die fast ständig spien. Das Land hatte sich in ein kochendes und unbegehbares Hindernis verwandelt, das die Zugänge zu den Ruinen der Mri-Türme bewachte, die bisher nur die unerschrockensten von Boaz' Forschern aus der Luft abgetastet hatten.
Stahl klang unter seinen Stiefeln, die Vergitterung, die die Oberfläche des Straßendammes befestigte. Es war das einzige Geräusch. Er blieb stehen, nur um für einen Moment völlige Stille zu erleben, und ließ den Blick über den gesamten Horizont schweifen, das glitzernde Wasser des Alkali – Meeres, die Lichter der Stadt, die dampfenden Geysire, die Kämme jenseits der FLOWER.
Etwas schlurfte über Stein und röchelte. Das Geräusch ergriff sein Herz und hielt es eingeschnürt. Er hörte es wieder, wirbelte herum und sah einen vierfüßigen Schatten, der von einem Kamm herabwatschelte.
Er traf auf die Wachstrahler und scheute zurück, brüllte vor Angst. Dann stieg er vor dem Himmel auf die Hinterbeine, erreichte die doppelte Höhe eines ausgewachsenen Menschen, ein großes Tier mit langen Klauen.
Die Dusei sind verloren , hatte Niun gesagt.
Duncan stand mit klopfendem Herzen still. Er versuchte, die von diesen großen Allesfressern, diesen Eingeborenen von Kesrith ausgehende Gefahr einzuschätzen. Die Klauen waren giftig und stark genug, um einen Menschen in Fetzen zu reißen. Dieses Tier probierte den Strahl erneut, dann noch einmal, mochte das vermittelte Gefühl nicht, hatte aber nur ein Ziel im Sinn.
Ein zweites Tier erschien oben vor dem Abhang und kam herab. Die Scheinwerfer der FLOWER leuchteten auf und fügten sich zu dem Durcheinander, die Luke ging auf und Menschen strömten heraus.
»Halt!« schrie Duncan. »Nicht weiter! Nicht schießen!«
Das Dus warf sich wieder in den Strahl, schob seine Masse vorwärts, und diesmal spielten die Energien des Abwehrsystems nutzlos über seine mächtigen Flanken. Es brach durch, richtete sich auf und schrie stöhnend, ein hohler Schrei, der an den Wänden von Kesriths Nom widerhallte.
Ein Gewehrstrahl durchschnitt die Dunkelheit.
»Nicht schießen!« schrie Duncan.
Das zweite Tier brach durch, Lichter prasselten über seine Flanken, und es stank nach angesengtem Fell. Sie drängten sich aneinander, die beiden Eindringlinge, ein Rumpf am anderen, und fuhren fort, sich nervös hin- und herzuwiegen. Niuns Tiere.
Duncan sah, wie sie auf die Rampe zugingen, auf die offene Tür, wo Menschen standen – sah das Feuer von Schüssen. Die Tiere scheuten zur Seite.
»Nein!« rief er, und die Tiere zogen sich zurück, drehten sich um und kamen auf ihn zu, schnüffelten in der Luft. Hinten an der Luke schrien ihm Männer etwas zu. Sie konnten nicht schießen; er war zu nah bei den Tieren. Scheinwerfer fuhren über sie hinweg und blendeten. In ihrer neugierigen Sturheit kümmerten die Dusei sich nicht darum. Sie kamen heran, die Klauen schabten über das Netzwerk des Bodens, die Köpfe gesenkt – bärenartige Monster mit schrä- gen Schultern, beinahe komisch in ihrem abwesenden Verhalten.
Das größere Dus stieß ihn mit der Nase an, schnaufte geräuschvoll durch seine Boxernase. Duncan stand reglos, das Herz klopfte so heftig, daß ihm das Blut durch die Adern raste. Das Tier stieß ihn an, keineswegs freundlich, und er fiel nicht um. Es stieß mit der Nase an seine Hand und untersuchte sie mit dem beweglichen Inneren der Lippe.
Und sie drehten vor ihm Kreise, erst das eine, dann das andere, veränderten ihre Stellung in einem seltsamen Ballett, immer zwischen ihm und den Männern mit den Gewehren, wobei sie tiefe, stöhnende Schreie hervorstießen. Er verpfändete sein Leben und setzte sich in Bewegung, entdeckte, daß sie mit ihm gingen. Er blieb stehen, und sie taten dasselbe.
Es waren sicherlich Niuns Tiere, die den langen, harten Weg von Sil'athen bis hier zurückgelegt hatten – ein Weg, der für sie viel viel weiter war als für die Maschinen der Menschen. Und mit unheimlicher Genauigkeit hatten sie Niun gefunden,
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