Shooting Stars (German Edition)
mich. Nicht nur mit ihrem Manifest, sondern vor allem mit der Art, wie sie handeln, machen sie all meine Bemühungen zunichte.
Die Sender springen reflexartig auf dieses Thema auf und greifen sich jede Information, derer sie habhaft werden können. In der Hektik der Situation vergessen sie, dass jemand diese Meldungen steuert, die von Presseagenturen aus in Zeitungen, Onlinemedien und Fernsehkanäle gesendet werden. Die Redakteure wissen zwar, aber sie haben gar keine Zeit, zu reflektieren, dass es jemanden gibt, der dieses Ereignis in seiner öffentlichen Wirkung lenkt. Wir sehen nur ein Zerrbild dessen, was sich in Wirklichkeit ereignet hat. Es ist wie im Krieg, in dem die Wahrheit immer das erste Opfer ist. Die Wahrheit, denke ich, die in keinem Fall jemals existiert hat.
Aber das meine ich gar nicht. Ich frage mich vielmehr, ob die hunderten Redakteure, die heute an diesem Thema dran sind, überhaupt erkennen, dass es Anweisungen von höchster Stelle gibt, die in solchen Situationen greifen, die wie ein geheimes Abkommen an die höchsten Funktionsträger dieser Medien ausgegeben wurden und die von diesen Top-Level-Entscheidern gerade in diesem Moment umgesetzt werden, ohne dass Redakteure. Nein, es stimmt nicht. Viele Redakteure werden es bemerken. Aber vermutlich halten viele diese Anweisungen in ihrem Schlagzeilenrausch nur für eine weitere, eigenartige Marotte ihrer Chefs.
Ich merke, wie ich wütend werde, weil von Stefan praktisch nicht mehr die Rede ist. Kaum jemand scheint sich noch für ihn zu interessieren. Wenn überhaupt, spricht man über diese Sache nur in Nebensätzen oder in den stündlichen Nachrichten, für die sie als einziges bereit sind, ihre Sondersendungen zu unterbrechen. Und für Werbung tun sie das auch. Natürlich tun sie das auch für Werbung und den Wetterbericht. Aber dazwischen berichten sie pausenlos, kommentiert eine sachliche Männerstimme das Geschehen, fasst sie die Aussagen der Experten und Politiker auf immer dieselbe Weise zusammen. Berichtet über neue Vermutungen und analysiert jede neu auftretende Theorie darüber, wer
wirklich
hinter dem Anschlag stecken könnte, aus welchen Menschen die Gruppe
Svensk Morgon
bestehen könnte, die sich keine zehn Minuten nach der Tat zu dem Anschlag bekannt hat und über die keiner viel mehr als ihren Namen zu wissen scheint.
Wie bei mir, denke ich. Im Grunde verhalten sie sich genau wie vor ein paar Wochen, als ich damit begonnen habe, als ich mit Dieter begonnen habe und mit Heidi. Als sie versucht haben zu verstehen, warum das passiert war und wer es hat geschehen lassen.
Es ist nur massiver, denke ich. Das Interesse, das die Medien heute an den Tag legen, ist um ein Vielfaches größer als am ersten Tag. Aber der Ablauf ist derselbe. Zuerst kommt die schockierte Anteilnahme, kommt die Entrüstung und direkt danach kommen die Fragen nach dem Wer oder Warum. Kommt die Suche nach dem Täter und fangen erste Journalisten und Kommentatoren an, einen Sinn in der Tat zu erkennen. Wobei der Sinn heute klar ist. Mit ihrem Manifest und mit ihrer Liste haben die Leute von
Svensk Morgon
unmissverständlich klargemacht, was sie wollen.
Die Lawine der Aufmerksamkeit, die heute über sie rollt, habe ich losgetreten. Zumindest zum Teil ist es mein Verdienst, dass die Weltöffentlichkeit ihnen heute so aufgeregt zuhört. Ich habe es möglich gemacht, dass ihr Manifest diese unglaubliche Wirkung erzielt. Dass praktisch jeder in Europa weiß, warum sie handeln. Nur von mir weiß das niemand. Und ich weiß im Moment auch nicht, wie ich das ändern soll. Wie ich auch meiner Botschaft Gehör verschaffen kann. Auch, sage ich.
Auch meiner Botschaft
. Als ob es nicht meine Botschaft wäre, die ein größeres Recht hat, gehört zu werden. Weil ich damit begonnen habe. Sie haben bloß die Situation ausgenutzt, um ihre Zwecke durchzusetzen, denke ich. Sie sind die Trittbrettfahrer, nicht ich.
Aber ich weiß. Nein. Ich weiß nicht, wie. Aber ich bin mir sicher, dass ich einen Weg finden werde, um meiner Botschaft die Bühne zu bieten, die sie verdient hat. Ich werde sie in die Köpfe der Menschen hineinschießen, die heute bloß damit beschäftigt sind, das Attentat in Schweden zu verstehen.
Ich frage mich, wie lange es dauert, bis jemand den Kopf hinhalten wird. Dafür, dass sie mich noch nicht gefasst haben. Hinter den Kulissen haben sie bestimmt schon die eine oder andere Personalentscheidung getroffen. Aber auf höchster Stelle musste noch niemand den
Weitere Kostenlose Bücher