Shoppen und fischen
hervorbrachte, aber stattdessen richtete er den Blick auf das Gepäckband. «Ist das deiner?», fragte er.
Ich sah meinen Louis-Vuitton-Koffer. «Ja», sagte ich. «Hol ihn bitte.»
Marcus beugte sich vor und wuchtete ihn vom Band. «Puh», sagte er leise. Der vierte Kommentar über meinen Riesenkoffer, seit wir die Wohnung verlassen hatten.
«Oh, Marcus, lassen Sie mich das machen», sagte mein Dad und griff nach dem Koffer.
Marcus ließ ihn achselzuckend los. «Wenn Sie drauf bestehen.»
Ich zog den Kopf ein und wünschte, er hätte wenigstens einmal protestiert.
«Das ist alles, Daddy. Marcus hat nur sein Handgepäck.» Ich warf einen kurzen Blick auf seine abscheuliche erbsengrüne Reisetasche mit dem ausgefransten Riemen und dem aufgedruckten Internet-Logo irgendeiner Pleitefirma.
«Okydoky. Dann los!», brüllte mein Dad und rieb sich energisch die Hände. Als wir im Parkhaus seinen BMW gefunden hatte, erzählte er uns von dem Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, den er auf der Herfahrt kassiert hatte. «War bloß sieben Meilen zu schnell», sagte er.
«Daddy, waren es wirklich nur sieben?», fragte ich.
«Ehrenwort. Sieben Meilen. Marcus, die Cops in dieser Stadt sind unerbittlich.»
«Das hab ich dir schon auf der High School gesagt», rief ich und boxte ihn auf den Arm. «
Die
Ausrede hat mir nie etwas genützt!»
«Als du mit sechzehn auf dem Burger-King-Parkplatz Wodka getrunken hast? Da würde ich kaum von polizeilichem Übereifer sprechen!» Mein Dad gluckste. «Marcus, ich habe Ihnen eine Menge Geschichten über unser Mädel hier zu erzählen.»
Unser Mädel.
Das war ein großes Zugeständnis. Das im Verein mit seiner munteren Stimmung unmittelbar nach einem Strafzettel war nur ein weiterer Beweis für seine Entschlossenheit, meinen neuen Freund zu mögen.
«Ich kann’s mir bildlich vorstellen», sagte Marcus auf dem Rücksitz. Er klang abwesend und gelangweilt. Überhörteer die Stichworte meines Vaters, oder hatte er einfach keine Lust, die joviale Nummer mitzuspielen?
Ich warf ihm einen Blick zu, aber sein Gesicht lag im Schatten, und ich konnte seinen Ausdruck nicht erkennen. Die ganze Fahrt über sagte Marcus buchstäblich kein Wort, obwohl mein Vater sich alle Mühe gab.
Als wir in unsere Sackgasse einbogen, zeigte ich Marcus Rachels Elternhaus. Er grunzte zur Antwort.
«Sind die Whites nicht da?», fragte ich meinen Vater. Ich sah nirgends Licht.
Er langte herüber und drückte mein Knie. Mit der anderen Hand betätigte er die Fernbedienung für das Garagentor. «Doch, doch. Ich glaube schon.»
«Vielleicht wussten sie, dass ich komme, und könnten es nicht ertragen, mir ins Gesicht zu sehen», vermutete ich.
«Denk daran, es ist nicht ihre Schuld», sagte er. «Es ist Rachels.»
«Ich weiß», sagte ich. «Aber
sie
haben eine Verräterin großgezogen.»
Mein Dad machte ein Gesicht, als wolle er sagen: «Ist was dran.»
«Glaubst du, Mom hat was dagegen, wenn wir hintenrum reingehen?», fragte er mich. Meine Mutter findet, Gäste sollten immer durch die Haustür hereinkommen – nicht, dass Marcus den Unterschied bemerkt hätte.
Und richtig, meine Mom spähte in die Garage und flüsterte, als ob Marcus und ich sie nicht hören könnten: «Gary, die
Vordertür
.»
«Die Kids haben Gepäck», sagte er.
Meine Mutter zwang sich zu einem Lächeln und rief mit ihrer überdrehten Gäste-Stimme: «Na, dann herein miteuch! Herein!» Wie immer war sie komplett geschminkt – sie «machte sich das Gesicht» sogar, bevor sie in den Supermarkt fuhr. Ihr Haar hatte sie mit einem funkelnden Clip hochgesteckt, den ich bei Barney’s für sie gekauft hatte, und sie war von oben bis unten elfenbeinweiß gekleidet. Sie sah schön aus, und ich war stolz, dass Marcus sie so sah. Wenn er an die These glaubte, dass eine Tochter irgendwann aussieht wie ihre Mutter, dann musste er jetzt über die Maßen beglückt sein.
Marcus und mein Vater kämpften mit unserem Gepäck und zwängten es zwischen Auto und Rasenmäher hindurch, während meine Mom meinem Vater einen Vortrag darüber hielt, dass er den Wagen zu weit nach links gestellt hatte.
«Dee, ich stehe haargenau in der Mitte», antwortete er, und ein ungeduldiger Unterton schlich sich in seine Stimme. Meine Eltern zankten sich ständig, von Jahr zu Jahr immer mehr, aber ich wusste, dass sie doch immer zusammenbleiben würden. Vielleicht nicht aus Liebe, sondern weil beiden das Bild des vollkommenen Heims gefiel, der guten,
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