Shoppen und fischen
noch mal?»
«Ein Kapitel für ein Buch über Londoner Architektur. Und vor kurzem hab ich mit einem Roman angefangen.Außerdem hab ich Unmengen von Zeitschriftenartikeln abzuliefern. Du weißt schon – Kleinkram, um die Miete zu bezahlen.»
«Wovon handelt dein Roman?» Mein Leben, dachte ich, wäre sicher auch Stoff für ein ausgezeichnetes Buch.
«Von einem Mann, der seine Familie bei einem Kohlenmonoxydunfall verliert und sich daraufhin allein in die Wälder zurückzieht, um seine Trauer zu bewältigen.»
«Klingt sehr fröhlich.»
«Im Grunde ist es eher aufbauend.»
«Wenn du es sagst … Aber musst du an meinem ersten Tag arbeiten?»
«Ja», sagte er ohne einen Anflug des Bedauerns.
Ich runzelte die Stirn und fragte, warum er nicht zu Hause bleiben und schreiben könne. Ich würde auch ganz besonders leise sein. «Wie ein Mäuschen», flüsterte ich.
Er lächelte. «Du? Ein Mäuschen?»
«Komm schon, Ethan. Bitte. Ich bin sonst so einsam.»
Er schüttelte den Kopf. «Ich kann hier nicht denken.»
Kein Wunder. Ist ja auch ein enges kleines Scheißhaus hier, dachte ich. Aber ich hob nur resigniert die Hände und sagte: «Okay. Okay. Übrigens … Brille und Mütze passen nicht zusammen. Entscheide dich – das eine oder das andere. Es wirkt sonst … überladen, sozusagen. Du musst was an deinem Styling machen.»
Er ging kopfschüttelnd zur Tür, und ich folgte ihm.
«Wo finde ich dich, wenn ich dich brauche?», fragte ich.
«Gar nicht», sagte er.
«Im Ernst, Ethan! Wo wirst du sein?»
«Ich weiß es nicht. Ich spaziere durch die Gegend, bis ich ein Café mit einer guten Atmosphäre finde. Nicht zu still.Nicht zu lärmig. Ein schönes, dumpfes, gleichmäßiges Hintergrundgeräusch. Ich hab dir meine Handynummer aufgeschrieben.» Er deutete auf einen Block auf dem Tisch in der Diele. «Aber ruf nur an, wenn es unbedingt nötig ist.»
«Kann ich nicht mitkommen?»
«Nein.»
Ich seufzte. «Was soll ich denn ohne dich mit dem Rest des Tages anfangen? Ich hab nicht damit gerechnet, dass ich an meinem ersten Tag in London ganz allein bin.»
Er hängte seine Tasche über die Schulter und sah mich an. Jetzt würde er mir einen Vortrag halten.
«Okay. Okay. Sorry … Ich komme zurecht.»
Er gab mir einen Schlüsselbund und einen Spiralblock mit einem Stadtplan auf dem Deckel. «Der kleine Schlüssel ist für die Haustür. Der Messingschlüssel geht ins obere Schloss, der mit dem Totenkopf ins untere. Alle müssen nach links gedreht werden. Und nimm dieses
A to Zed
. Die Londoner Bibel.»
«Ich hasse Stadtpläne», sagte ich und blätterte in dem Buch. «Und der hier sieht ganz unmöglich aus. Hat viel zu viele Seiten.»
«Unmöglich bist
du
», sagte Ethan.
«Sag mir bloß, wo ich shoppen kann.»
«Hinten im
A to Zed
ist ein Straßenregister. Du musst Knightsbridge suchen. In der Gegend findest du massenhaft Geschäfte. Harrods. Und Harvey Nichols, was wahrscheinlich eher deine Kragenweite ist.»
«Inwiefern?», fragte ich und erwartete ein Kompliment.
«Es ist eher was für Trendsetter.»
Ich lächelte. Wenn ich irgendetwas war, dann Trendsetter. «Ist Knightsbridge weit entfernt?»
«Zu Fuß ziemlich weit. Mit dem Taxi ein kurzes Stück. Die U-Bahn erkläre ich dir später mal. Hab jetzt keine Zeit.»
«Danke, Ethan.» Ich küsste ihn auf die Wange. «Bis heute Abend. Und inzwischen suche ich mir ein paar süße Fummel aus.»
«Ist doch ein toller Plan.» Er lächelte aufmunternd. Anscheinend verstand Ethan, dass ich für mein neues Leben auch eine neue Garderobe brauchte.
NEUNZEHN
Ethan hatte Recht. Harvey Nichols war
genau
meine Kragenweite. Ich fing bei Harrods an, aber es war zu groß und überfüllt mit Touristengesindel, ganz so wie Macy’s zu Hause. Harvey Nics, wie ich es ein britisches Mädel am Eingang Sloane Street nennen hörte, war nobler, boutiquemäßiger; es erinnerte mich an Henri Brendel oder Barneys in New York. Ich war im Paradies; ich spazierte von einem Regal zum anderen und sammelte Prachtstücke von Stella McCartney, Dolce & Gabbana, Alexander McQueen, Jean Paul Gaultier und Marc Jacobs ein. Dann warf ich noch ein paar neue Namen in die Mixtur, herrliche Wintersachen von mir völlig unbekannten Designern.
Nur einmal gab es einen schlechten Augenblick an diesem Nachmittag. Ich musste feststellen, dass ich mich nicht mehr in Größe sechs zwängen konnte. Ich war jetzt in der siebzehnten Woche, und die ersten paar Pfunde hattenmeine gewohnte
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