Shoppen und fischen
für mich hoch.
Ich warf meine zur Seite, kroch zu ihm und schmiegte mich an seine schlanke, drahtige Gestalt.
«Aber keinen Blödsinn», murmelte er.
«Keinen Blödsinn», antwortete ich fröhlich und dachte, wie schön es doch war, einen guten männlichen Freund zu haben. Ich war dankbar, dass wir nie etwas miteinander gehabt hatten, denn so war es kein allzu schräges Gefühl, mit ihm in einem Bett zu liegen. Tatsächlich war es, wenn man die Grundschule nicht mitrechnet, in all den Jahren nur eineinziges Mal knapp zwischen uns geworden. Da waren wir auf einer Party nach unserem zehnjährigen Klassentreffen. Ich war ein bisschen beschwipst, und irgendetwas kam über mich – vielleicht die Erkenntnis, dass Ethan, der auf der High School eher als leicht streberhafter Außenseiter gegolten hatte, jetzt der beliebteste Typ in der Gruppe war. Alle wollten unbedingt mit ihm reden. Die ganze Schwärmerei führte dazu, dass ich ihn auf einer völlig neuen Ebene wahrnahm, und ich glaube, für ein paar Augenblicke ließ ich mich ein bisschen fortreißen und dachte, es könnte Spaß machen, es mit ihm zu treiben. Die Einzelheiten sind ein bisschen verschwommen, aber ich erinnere mich, dass ich mit den Händen durch seine Locken fuhr und vorschlug, er solle mich nach Hause fahren. Zum Glück zeigte Ethan im Namen unserer Freundschaft übermenschliche Zurückhaltung. Oder er war
wirklich
schwul. So oder so, die Grenzen unserer Freundschaft waren jetzt klar – und das war gut so.
«Ich bin froh, dass ich hier bin», flüsterte ich glücklich.
«M-hm. Ich auch.» Es klang nicht überzeugend. «Jetzt schlaf.»
Ich schwieg ein Weilchen, aber dann merkte ich, dass ich pinkeln musste. Ich bemühte mich, es zu ignorieren, aber dann kämpfte ich doch unablässig mit mir, ob ich aufstehen sollte oder nicht. Also stand ich schließlich auf – und stolperte über einen Bücherstapel neben Ethans Bett.
«Darcy!»
«Entschuldige! Ich kann nichts dazu, ich muss aufs Klo. Ich bin schwanger. Weißt du noch?»
«Du bist vielleicht schwanger, aber ich leide dafür unter Schlaflosigkeit. Und ich hoffe, dass ich nach all deinem Gekasperwieder einschlafen kann, denn ich habe morgen eine Menge zu tun.»
«Tut mir Leid. Ich versprech dir, danach bin ich mucksmäuschenstill.» Ich huschte durch die Diele zum Bad und kam dann wieder zurück. Ethan hob noch einmal die Decke für mich hoch, ohne die Augen zu öffnen. «Und jetzt sei still. Oder du gehst zurück in deine Zelle. Das ist mein Ernst.»
«Okay. Ich bin still», sagte ich und kuschelte mich an ihn. «Danke, Ethan. Ich hab das gebraucht. Wirklich.»
In den nächsten zwei Wochen lief mein Programm fast unverändert ab. Ich ging den ganzen Tag shoppen und entdeckte eine riesige Auswahl an Modeboutiquen: Amanda Wakeley und Betty Jackson in der Fulham Road, Browns in der South Melton Street, Caroline Charles am Beauchamp Place, Joseph in der Old Bond Street und Nicole Farhi in der New Bond Street. Ich kaufte herrliche Designerstücke: verspielte Tücher, schöne Pullover, schicke Röcke, extravagante Taschen und sexy Schuhe. Dann nahm ich mir die Schnäppchenläden der Oxford Street vor – Next, River Island, Top Shop, Selfridges und Marks & Spencer –, denn ich war immer der Ansicht, dass solche Low-End-Stücke zusammen mit ausgesuchter Designer-Couture äußerst effektvoll wirken. Sogar regelrechte Ramschware kann absolut fabelhaft aussehen, wenn man sie mit High-End-Teilen kombiniert und selbstbewusst trägt.
Abends, wenn ich mit meinen Einkäufen heimkehrte, wartete ich, bis Ethan seinen Arbeitstag beendet hatte. Dann aßen wir zusammen etwas aus dem Take-away, oder er zauberte uns eine kleine Mahlzeit, und danach sahen wir fernund unterhielten uns. Zur Schlafenszeit zog ich mich immer zuerst in mein Kämmerchen zurück und tat, als ob ich meiner Luftmatratze noch einmal eine faire Chance geben wollte, bevor ich dann zu ihm ins Bett umzog. Ethan tat jedes Mal genervt, aber ich merkte, dass er meine Gesellschaft insgeheim genoss.
An meinem dritten Mittwoch in London und nach langem Genörgel meinerseits versprach Ethan mir schließlich, sich am folgenden Tag für mich freizunehmen.
«Wahnsinn! Gibt es dafür einen speziellen Anlass?», fragte ich.
«Äh. Thanksgiving? Erinnerst du dich an diesen Feiertag? Oder bist du schon zu lange in England?»
«O mein Gott. Thanksgiving hab ich total vergessen.» Seit Tagen hatte ich keinen Blick mehr auf den Kalender geworfen
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