Shopping and the City
ich.
Wir mussten nichts weiter tun, als abzuwarten, dass Vito und sein Kumpel zurückkamen und uns holten, was jeden Moment passieren musste. Vier, drei, zwei, eins. Das Geräusch von herannahenden Schritten dröhnte die Metallrampe herauf, und wir setzten uns in Bewegung. Der Kleiderständer ruckte, und ich hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, während ich Toys Schnäuzchen zuhielt, der gerade zu einem weiteren Jaulen ansetzte. Er leckte meine Hand. So weit, so gut.
Wir ruckelten und schaukelten eine Weile, dann krachten wir irgendwo unbekannterweise gegen eine Wand, während die Schritte von Vito und Kumpel mit dem Zuschlagen einer Tür verstummten. Abgesehen von gedämpften Stimmen irgendwo in der Nähe, war
alles still. Die Kleiderständerhülle hob sich, und Evies Gesicht kam zum Vorschein.
»Oh mein Gott, hast du dir die Kleider an deinem Ständer angeschaut?! Du hättest meine sehen sollen. Unglaubliche Leistung. Im Ernst, ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, laut loszukreischen.«
»Ssschh! Ich weiß.« Ich stolperte aus meinem Versteck und schaute mich um. Wir waren mit grob geschätzt zwanzig anderen Kleiderständern in einem kurzen Flur.
»Schnell, heb die Hülle hoch!«, flüsterte ich und zückte meine Kamera. Die nächsten fünfzehn Minuten über knipste ich Klamotten, wie ich noch nie zuvor Klamotten geknipst hatte – so als hinge mein Leben davon ab, was es auch tat.
Wir sahen einander nur an.
»Hiiiippiiiiieee!«, kreischten wir stumm.
»Und jetzt zur Modenschau«, sagte ich.
»Irre!«, jauchzte Evie. Wir schlichen zu der Doppeltür am anderen Ende des Flurs und schlüpften hindurch.
»Wir haben es geschafft! Evie«, sagte ich hoffnungsvoll. »Ist dir klar, dass wir in einigen wenigen Minuten Zeugen des größten Modeereignisses des Jahres werden?!«
»Und du kriegst im Handumdrehen deinen Job zurück.«
Bevor noch irgendetwas davon richtig einsinken konnte, überfiel mich der Duft von Gardenien, welcher einen jener seltsamen Momente auslöste, in denen man
innerhalb einer Nanosekunde aus der Realität total woanders hinversetzt wurde. Plötzlich war ich wieder ein kleines Kind in Moms Garten, und ich erinnerte mich daran, dass es bei uns daheim früher glücklicher zuging und dass Gardenien nur im Sommer blühen und dass Mom keinen grünen Daumen mehr und ich keinen Job mehr hatte, und plötzlich war mir zum Heulen zumute, was mich wütend machte, und ich schwor mir hoch und heilig, dass ich alles wieder ins Lot bringen würde. Ich musste es einfach.
Augenblicklich kehrte ich in die Realität zurück. Wir waren endlich bei der Modenschau angelangt. Einen Moment lang konnte ich mich nicht von der Stelle rühren, wie benommen von der unablässigen Bewegung von Leuten und Dingen um uns herum. Ein megaedelsteinverzierter Kronleuchter mit JL-Logo baumelte vom höchsten Zipfel der Zeltkuppel herab und beleuchtete den Saal mit seinem gleißenden diamantenen Licht. Doch das Beeindruckendste war der Laufsteg. Er war mit goldenen Backsteinen gepflastert und zog sich von der Hinterbühne in einer Spirale bis unter den Kronleuchter, gerade breit genug, dass superschlanke Models sich bis zur Mitte und wieder zurück schlängeln konnten.
Der Saal füllte sich zusehends. Hollywood-Adel, Moguln und Chefredakteure warteten champagnerschlürfend auf die Kleider, die Musik, die Models und die Magie, die eine Modenschau ausmachten.
»Imogene, es ist ein Traum!«, entfuhr es Evie. »Ich meine, schau doch nur, wo wir hier sind!«
»Eines Tages«, sagte ich lächelnd, »in nicht allzu ferner Zukunft, wirst du deine eigene Kollektion präsentieren, und ich werde dann dort am Laufsteg sitzen.«
»Wir werden immer beste Freundinnen sein!« Evie umarmte mich.
»Komm. Wir müssen uns einen Platz suchen«, sagte ich und zerrte sie in die Menge. Natürlich liefen wir schnurgerade auf die besten Sitzplätze in ganz Nordamerika zu – in der ersten Reihe.
»Oh mein Gott!«, sagte ich zu Evie, als ich zwei leere Stühle entdeckte. »Die schnappen wir uns! Schnell.«
Wir saßen noch nicht ganz, als jemand sagte: »Hallo!«
»Meint er uns?«, flüsterte ich Evie zu.
»Hallo, sagte ich«, donnerte ein extrem großer Mann mittleren Alters. Er war in einen Persianermantel gehüllt, für dessen Herstellung wenigstens 25 Lämmer geopfert worden waren – zweifelsohne der Grund, warum der junge Assistent hektisch mit zwei chinesischen Reispapierfächern in die grobe Richtung des großen Mannes
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