Shopping and the City
Untertanen zur Räson zu bringen.
Unzählige Hände schossen in die Höhe, und die Reporter begannen, wild durcheinanderzurufen. Evie und ich standen einfach nur da, hielten wie alle anderen das Mikrofon in seine Richtung und warteten darauf, dass die Pressekonferenz zu Ende ging, damit wir uns ins Zelt schleichen konnten.
»Mr. Lord, Mr. Lord! Woher bekommen Sie Ihre Inspirationen?«, fragte jemand.
»Von meiner Muse, und aus meiner Schöpferkraft natürlich«, sagte er mit einer überschwänglich ausholenden Handbewegung. »Ich erschaffe Träume für Frauen, die ihren verborgensten Wünschen und Fantasien entspringen. Wenn eine Frau ein Jock-Lord-Kleid trägt, dann ist es ein Grund zum Feiern.«
»Es geht das Gerücht um, dass Ihre Muse sich aus dem Staub gemacht hat und zu Lacroix übergelaufen ist. Ist da etwas Wahres dran?«
»Julie«, flüsterte Jock Lord seiner Assistentin zu, »ist Nicole schon hier?«
»Nein, JL, noch nicht. Wir haben bei ihren Leuten angerufen – niemand weiß, wo sie ist.«
»Nun, findet sie – jetzt, sofort und auf der Stelle!« Dann trotzig an die Menge gewandt: »Absurd! Nächste Frage?«
Um ehrlich zu sein, ich hatte da schon einige Fragen. Doch gerade als meine Hand hochschoss, klangen von der Straße Trommeln, Glocken, Zimbeln und Gesang herüber.
»Wir lieben dich, Herr! Praise the Lord!« Wie der Zufall es wollte, tanzte gerade eine Gruppe von Hare Krishnas vorbei – indische Instrumente, kahl rasierte Schädel, barfuß und die ganze Chose halt. Sie trugen pinkfarbene Gewänder und sangen: »Hare Krishna. Lobet den Herrn; praise the Lord, Hare, Hare, Krishna Krishna! Praise the Lord.«
»Danke, danke«, antwortete Jock über die Köpfe der versammelten Menge hinweg. »Vielen Dank euch allen – all euch interessanten, trendsetzenden Leuten dort draußen«, rief er den Singenden zu. »Klasse Klamotten, nebenbei bemerkt«, rief er ihnen nach, doch da waren sie bereits außer Hörweite. »Julie«, flüsterte er seiner Assistentin zu, »diese Klamotten sind göttlich. Hast du die gesehen? Los, skizzieren, skizzieren, skizzieren! Schnell!«
Die Menge setzte sich in Bewegung und schob sich vorwärts. Endlich! Doch als wir die Schwelle überquerten, verwechselte ein Reporter meinen Fuß mit festem Boden, woraufhin ich vor Schmerz aufschrie, ein Schrei, der von Toy in meiner Tasche aufgegriffen wurde, was wiederum von Jock Lord als ein Anflug von Reporter-Existenzangst missverstanden wurde, der daraufhin sogleich und mit großem theatralischen Flair die Prozession anhielt und moi für ein letztes eindrucksvolles Zitat auswählte.
»Eine letzte Frage«, verkündete er königlich und schenkte mir ein gütiges Lächeln.
Ich wollte gerade meine Frage stellen und richtete nervös das Mikrofon auf ihn, als ich getreu meiner derzeitigen Pechsträhne aus Versehen den großen roten Knopf drückte und die Mikrofon-Imitation lautstark »Like a Virgin« zu plärren begann. Ich versuchte hektisch, es wieder auszuschalten, während ich mir vorstellte, wie Evie und ich langsam vom Erdboden verschluckt wurden.
Bevor die Menge noch Gelegenheit hatte zu reagieren, erhob sich am Haupteingang lautes Gezeter. Die schrille, aufdringliche Stimme bewegte sich langsam in unsere Richtung, bahnte sich einen Weg durch die dicht gedrängte Menge und hinterließ in ihrem Kielwasser angeschlagene Egos und verbale Zerstörung. Nash ging augenblicklich in Alarmbereitschaft, indem er knappe Befehle in sein Sprechfunkgerät bellte und sich in Erwartung des Schlimmsten vor Jock Lord aufbaute. Das Komische war, die Stimme schien irgendwie
allzu vertraut. Ich sah Evie an, die wie gelähmt in die Richtung der Stimme starrte.
»Oh mein Gott«, murmelte sie. »Das kann nicht sein.«
»Was?« Ich wurde zunehmend nervös.
»Sie ist es.« Sie riss ihre Augen angstvoll weit auf und begann, mich in die entgegengesetzte Richtung zu zerren.
»Wer?« Nunmehr zutiefst beunruhigt.
»Später, Girlie. Zeit für einen flotten Abgang«, sagte Evie. Wir wandten uns zum Verschwinden, nur um gegen einen Wall aus zwei XXL-Ordnern zu prallen, der eine Sekunde zuvor noch nicht dagewesen war. Inzwischen war die Stimme sehr nah und sehr aufgebracht. Dann brach auch über mich die Erkenntnis in einer Woge blanker Panik herein und, OH MEIN GOTT! Es war...
»Missy Farthington, Sie Idiot!«, schrie sie einen Ordner an, als sich die Menge teilte. »Channel Four News! Haben Sie denn keinen Fernseher?!«
Missy blieb vor uns stehen
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