Shopping and the City
ist er hinter die Bühne gelaufen -«
»REBALT?!«
»Nein, Toy! Und ich kann ihn nicht finden. Und er zahnt. Und ich habe Angst, dass er an irgendetwas kauen könnte, verstehst du? An etwas Wertvollem.«
Caprice schaute bestürzt drein.
»Caprice!«, rief jemand.
»Ich bin gleich dran. Bleib hier, verstanden?«
»Ich kann doch nicht einfach hier herumstehen. Ich meine, der Wachdienst -«
»Lies dein Buch und schau gelangweilt drein. Ich bin in fünf Minuten wieder da.« Und mit diesen Worten war sie verschwunden.
Die Modenschau war in vollem Gang zum Wumm-Wumm-Wumm von DJ Majestic MC. Models defilierten hinaus auf den Laufsteg und zurück, zogen sich um und gingen wieder hinaus, in einem endlosen Fließband des Chics. Plötzlich vermeinte ich, über den Lärm hinweg ein Jaulen zu hören. Toys Jaulen. Ich wirbelte
herum und beäugte einen großen weißen Trennschirm in der Ecke des Raums. Dahinter ertönte abermals Toys Jaulen – und diesmal war es garantiert keine Einbildung. Voller Sorge, dass Toy und Diablo etwas zum Zerkauen gefunden haben könnten, bahnte ich mir einen Weg zu ihnen. Ich hatte sie schon fast erreicht, als mir plötzlich ein Vierzigtonner den Weg versperrte. Ein Vierzigtonnner namens Nash.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte er grinsend und blitzte mich mit seinem Goldzahn an. »Sie kommen mir bekannt vor. Sind wir uns schon einmal begegnet?«
»Ich? Nein, wir sind uns noch nie begegnet«, murmelte ich nervös und starrte auf meine Füße.
»Sind Sie sicher? Kürzlich erst, glaube ich -«
»Ich würde mich daran erinnern. Würden Sie mich jetzt bitte vorbeilassen?«
»Ja, wir sind uns ganz sicher schon einmal -«
»Oh, da bist du, Prinzessin!« Ein Arm legte sich um mich.
Ich schaute auf einen winzigen kleinen Mann mit kurzen, roten Stachelhaaren und einem ebenso roten Ziegenbärtchen – mit anderen Worten: ein völlig Fremder. Ein völlig Fremder, der mich auch wiedererkannte. »Ich habe sie gefunden!«, brüllte er über seine Schulter.
»Wen, mich?«, fragte ich.
»Wen, dich?!« Er lachte schallend. »Natürlich dich, Prinzessin.« Er sah Nash einschüchternd an. »Entschuldigen Sie bitte, Gigantor, aber soweit ich weiß, haben die Ordner in der Garderobe keinen Zutritt«, sagte er
und zog mich zu den Schminktischen. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass ein Hauch Nars-Lidschatten in Lila in der Lidfalte hier deine blauen Augen noch mehr zum Strahlen bringen würde?«
»Bislang noch nicht.«
»Ich bin schockiert!« Er schützte Verblüffung vor und setzte mich nachdrücklich auf einen Klappstuhl. Ja, ich gehörte jetzt zum Fußvolk der Models, die geduldig über sich ergehen ließen, dass man sie unter der brütenden Hitze gleißend heller Klemmleuchten betupfte, pikste, anmalte, bürstete, lockte, ziepte, scheitelte und toupierte.
»Hören Sie, ähm, …«
»Phillip.«
»Phillip. Ich fühle mich ja sehr geschmeichelt, aber ich heiße nicht Prinzessin, und noch weniger bin ich eine. Und ich kann mich jetzt wirklich nicht frisieren und schminken lassen, denn ich muss meinen Hund finden.«
»Oh, so bescheiden! Sie kümmert sich selbst um ihren Hund! Ich hatte schon gehört, dass du nett bist, aber -«
»Ich muss jetzt gehen«, erklärte ich energisch und stand auf. Ich schaute hinter mich und sah, dass Nash noch immer an der gleichen Stelle stand und mich stirnrunzelnd musterte. Mir mangelte es eindeutig an Alternativen – also war das Beste, es einfach geschehen zu lassen. Ich ließ mich wieder auf den Stuhl plumpsen, atmete tief durch und entschied, Prinzessin Wer-auchimmer zu sein. Zumindest für den Moment.
»So ist’s recht, Prinzessin, entspann dich«, gurrte Phillip. »Ich bin in null Komma nichts mit dir fertig.« Und das war er. Wenn ich jeden Tag mein Make-up so schnell auflegen würde, würde das mein gesellschaftliches Leben um fünf Jahre verlängern.
Von da an passierte alles in Lichtgeschwindigkeit. Ich meine, ich erinnere mich nur daran, dass ich von einem Styling-Tisch zum nächsten weitergereicht wurde wie ein Hamburger Royal beim Mittagsansturm bei McDonald’s, während man mich kreppte und zurechtmachte und immer wieder fotografierte. Es gab einen Punkt, da hatte ich nicht weniger als sechs Polaroids von mir in den verschiedenen Stadien der Transformation. Ich kehrte in die Wirklichkeit zurück, als eine Ankleiderin anfing, mich auszuziehen.
»He!«, protestierte ich.
»He, selbst«, erwiderte sie ungerührt. »Raus aus deinen Klamotten,
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