Shotgun Lovesongs
sie barfuß in dem ungemähten Frühlingsgras mit Hufeisen warfen und rauchten. Es waren fast alle dort. Sie lachten und scherzten hinter ihren Ray-Ban-Sonnenbrillen und wurden langsam wieder warm miteinander. In diesem Augenblick widerstrebte mir das alles.Das Klirren der Hufeisen, wenn sie gegen die kleinen Stahlpflöcke in der Erde schlugen. All diese begeisterten Ooooohhhhhs!!!! und Aaaahhhhs!!!!.
Der Saal füllte sich allmählich mit Leuten. Die Älteren setzten sich an die runden Tische, die im Raum standen, die jüngeren an die Bar, und jetzt trafen auch die Brautjungfern ein, was vereinzelten Applaus auslöste. Und dann kamen zum Klang von Queens »We Are The Champions« Beth und Henry ins Palladium. Sie streckten die Hände mit den glitzernden Ringen in Siegerpose in die Luft und umarmten alle, die ihnen auf dem Weg zur Bühne begegneten. Dort krönte eine langgezogene Festtafel den Raum.
»Bitte begrüßen Sie mit einem herzlichen Applaus: Mister und Missus Henry und Bethany Brown!«, rief der DJ.
Die Menge brach in frenetischen Jubel aus, als Beth und Henry ihre Plätze auf der Bühne einnahmen, und dann erklang diese gute alte Kakophonie aus Besteck und Glas, die aneinanderklingen, während jeder Onkel, jeder Neffe, jeder beste Freund das Meer aus Stimmen anpeitschte, aus dem bald nur noch ein einziger Sprechchor aufstieg: Küss sie! Küss sie! Küss sie! Küss sie! Und dann bog Henry Beth zurück, als sei sie ein Schilfrohr, ein einzelner winziger Grashalm, bog sie so weit, bis ihr eleganter, schwerelos wirkender Körper fast waagerecht über der Erde hing, und hielt sie mit seinen starken Armen dort fest.
Vor dem Essen stand der Pfarrer auf, ohne irgendwelche Notizen oder eine Bibel in der Hand – er hatte das alles schon tausendmal gemacht – und sagte: »Bitte sprecht mit mir ein Gebet … Gütiger Gott, segne dieses wunderbare Paar – Beth und Henry … Fülle ihre Herzen jeden Tag mit Liebe und Ehrfurcht, mit Geduld und Güte … Herr, segne diese Neuvermählten. Möge ihr Zusammenhalt jeden Tagfester werden, möge aus ihnen eine Familie werden, die wächst und der Kinder geschenkt werden, so wie auch ihre Liebe wachsen möge. In deinem Namen sprechen wir dieses Gebet.«
Und der Raum antwortete: »Amen.« Und ich sagte es auch: »Amen.«
Ich setzte mich an die Bar und schaute dem Ganzen zu: sah, wie das Brautpaar den ersten Tanz anführte, sah den Vater-Tochter-Tanz, den Ententanz, den Mambo-Reihentanz und den Electric Slide. Mir war nicht nach Tanzen zumute. Ronnys Eltern, die mich kannten, seit ich klein war, kamen zu mir herüber, von einem der Tische, wo sie mit anderen Elternpaaren gesessen hatten.
»Ist sie nicht wunderschön?«, fragte mich Ronnys Mutter Marilyn und küsste mich auf die Wange.
»Hallo, Mrs Taylor«, sagte ich.
»Nette Party«, sagte Ronnys Vater Cecil. »Wirklich nette Party.« Er hielt eine Dose Bier in seinen riesigen Händen. Cecil hatte einen Job als Bauarbeiter, war immer sonnenverbrannt und roch immer nach einer Mischung aus frischer Luft und Asphalt. Aber er liebte die Musik, hatte Konzerte von Lynyrd Skynyrd, Cream, MC5, den Stones und Led Zeppelin besucht. Er war der erste Mensch, mit dem ich einen Joint geraucht hatte, unten im Keller, an der Bar, die sie sich dort gebaut hatten. »Wie läuft’s mit deiner Musik, Lee?« Seine Stimme schien nur noch aus Zigarettenqualm zu bestehen und klang so rauh wie die Straßen, die er asphaltierte.
»Es wird, es wird«, antwortete ich.
»Gleich kommt der Dollartanz«, sagte Marilyn und ihre Stimme klang ganz begeistert.
»Hast du fünf Dollar, Cecil?«, fragte sie.
»Fünf Dollar!«, rief er lachend. »Es geht hier um Beth! Wir kennen sie schon seit einer Ewigkeit!«
»Das ist doch nur, damit sie sich eine schöne Hochzeitsreise leisten können!«, erwiderte sie. »Und außerdem will ich auch mit Henry tanzen. Er sieht richtig gut aus. Hat er schon die Farm von seinem Vater übernommen?«
Cecil reichte ihr einen Fünfdollarschein und Marilyn nahm das Geld und ging zu der Schlange von Leuten, die mit Henry tanzen wollten. Es hatten sich schon ziemlich viele Frauen vor ihr angestellt.
»Na, Jungs«, sagte Cecil. »Da habt ihr’s. Zwei eurer besten Freunde verheiraten sich miteinander. Wenn ihr mich fragt, dann ist das die allerbeste Methode. Heirate deine beste Freundin. Denn eins kann ich euch sagen, mit dem Sex wird’s irgendwann vorbei sein, glaubt mir, und dann habt ihr da ’nen anderen Menschen an der
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