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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Little Wing, Wisconsin, kann es eine Frau gegeben haben, die so schön war wie Beth in diesem Augenblick. Ihr einfach nur dabei zuzusehen, wie sie auf uns zugeschritten kam, reichte schon, um mich auf einen Schlag wieder vollkommen nüchtern werden zu lassen und mich aufrechter hinzustellen. Ich beobachtete die im Kirchenschiff sitzenden Männer, während Beth an ihnen vorrüberging, und sah, wie einige von ihnen den Blick senkten und auf die alten Schieferplatten mit den glattgewetzten Fugen im Kirchenboden starrten. Sie war so schön, dass man es fast nicht ertragen konnte. Danach erinnere ich mich nicht mehr an sehr viel. Nur noch daran, wie der Pfarrer mit ein paar Worten der Gemeinde bedeutete, sich wieder auf die Eichenholzbänke zu setzen, und uns, die wir vorne standen, anwies, sich nun zu ihm, der Braut unddem Bräutigam umzudrehen. Ich wandte mich in einer vorsichtigen, betrunkenen Pirouette auf dem Absatz um.
    Von der Zeremonie selbst ist mir – wie gesagt – nicht besonders viel in Erinnerung geblieben. Die Solisten waren so lala, es wurden altbekannte Passagen aus der Bibel vorgelesen, der Pfarrer hielt einen Monolog über die Bedeutung der Familie, über das Geschenk, das uns gegeben wird, wenn wir Kinder bekommen, und über die reichen Schätze, die das Land hervorbringt. Ich trat von einem Fuß auf den anderen, stellte mir Beth vor, wie sie im Bett auf mir lag, ihre Lippen, ihr langes Haar, wie es mich herrlich duftend umhüllte, ihre strahlenden Augen, die sie hinter den mit Wimperntusche bedeckten Lidern verbarg. Scheiße , dachte ich. Reiß dich zusammen und hör auf damit.
    Schließlich hob Henry geschickt und behutsam ihren Schleier und dann küsste er sie – die Konturen seines Kiefers wie die Klinge einer Sense, ihre Augen hingebungsvoll geschlossen, seine Hände um ihr Gesicht gelegt. Es war ein guter Kuss, vertrauensvoll und souverän, wie bei zwei Menschen, die wissen, was sie tun.
    Als der Kuss endete, brach die Gemeinde in begeisterten Applaus und Pfiffe aus und dann schritt das frisch vermählte Paar den Gang hinunter, Hand in Hand, mit einem geradezu überirdisch glücklichen Lächeln im Gesicht, und ließ mich an meinem Platz zurück. Beth schien zu schweben, vollkommen schwerelos, als könnte sie jeden Augenblick in die Luft aufsteigen und einfach über die Kirchenbänke hinwegfliegen. Ich sah Ronnys Mutter in einer der Bänke sitzen; sie war mittlerweile vollkommen aufgelöst, verbrauchte ein Taschentuch nach dem anderen und klammerte sich an den Ärmel von Ronnys Vater Cecil. »Nochnie hat es eine so wunderschöne Braut gegeben. Noch nie, niemals«, hörte ich sie sagen.
    In der Vorhalle der Kirche nahmen Braut und Bräutigam die Glückwünsche entgegen, neben einer riesigen Menge mexikanischer Hochzeitsplätzchen, die auf einem Tisch zu einer recht wackligen Pyramide aufgetürmt waren. Das Paar bedankte sich bei allen, bei jeder Großtante und jedem Großonkel, jedem Cousin ersten, zweiten und dritten Grades, jedem Schulfreund, Nachbarn und ehemaligen Lehrer. Ich folgte Ronny nach draußen auf den Parkplatz, zum Seiteneingang der Kirche, wo ein paar alte Farmer standen und Zigaretten ohne Filter rauchten und die jüngeren Tabaksaft in den Kies spuckten. Ronny schnorrte zwei Zigaretten von jemandem und wir stellten uns abseits und rieben uns die schmerzenden Köpfe. Oben im Turm begannen die Glocken zu läuten und dröhnten über das flache Land, und aus den Lebensbäumen schreckten plötzlich drei Dutzend Stare auf und barsten in den Himmel. Ich musste auf einmal an Mr Smith denken, unseren Lehrer in der fünften Klasse, der uns beigebracht hatte, dass eine Schar von Staren, die geschlossen zu ihrem Schlafplatz fliegt, manchmal aussehen kann wie ein Tornado.
    Im nächsten Moment kam jemand um die Ecke der Kirche gehastet – eine von Beths Tanten, glaube ich – und sagte uns, wir sollten unsere Hände aufhalten. Und dann segelten unendliche Mengen von Rosenblättern in unsere erwartungsvoll aufgehaltenen Handflächen. Noch nie hatte ich etwas so Weiches und Rotes gesehen oder gefühlt. Sie wirkten so zerbrechlich – wirkten so, wie ich mich gerade fühlte – wie etwas, das vom kleinsten Windstoß einfach weggeblasen werden konnte. Ich stand dort, neben Ronny, mit einem schlimmen Kater und einem Gefühlleichter Trauer im Herzen und betrachtete diese Blätter in meiner Hand. Sie wogen so gut wie nichts. Dann ertönte plötzlich lautstarker Jubel und wir gingen zur Vorderseite

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