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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Menschen zu werden«, bemerkte ich schließlich und vermied es sorgfältig, Kips Hochzeit oder seine Junggesellenparty zu erwähnen. Aber ich hatte das Gefühl, meine neue Freundin Felicia verteidigen zu müssen.
    Das Foto kehrte in Lees Hände zurück. Er betrachtete es mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht. »Manchmal wundert man sich doch«, sagte er, leise genug, dass man annehmen konnte, er spräche nur mit sich selbst, »manchmal wundert man sich echt über die Menschen.«
    »Wir könnten das doch einfach für dich mit nach Hause nehmen, oder?«, bot ich an. »Wir packen es wieder in das Kästchen und das nächste Mal, wenn ihr nach Little Wing kommt, dann liegt es bei uns und wartet auf euch.« Ich nahm an, dass Lee und Chloe nach ihrer Hochzeit, wenn sie von der Hochzeitsreise wieder da waren und alles wieder in geordneten Bahnen verlief, nach Wisconsin zurückkehren würden, dass wir wieder neu anfangen konnten und sich die Dinge irgendwann wieder zurechtrücken würden, so wie sie vor Kips Hochzeit gewesen waren. Aber in diesem Augenblick sah ich, wie Chloe ihren Arm um den von Lee schlang und sich sein Gesichtsausdruck verdüsterte.
    »Ist schon okay«, sagte er. »Ich nehme es heute Abend mit nach Hause. Wir haben hier in New York eine Wohnung gefunden, aber die Wände sind noch ziemlich kahl.« Er sah Henry an. »Vergesst aber auf keinen Fall, Kip von mir zu danken. Das ist echt toll, dieses Foto.«
    Dann umarmte Lee uns alle noch einmal, als würden wir für eine sehr, sehr lange Zeit verreisen. Ich spürte seinen Brustkorb an meinem und musste daran denken, wie dünn er in jenem Winter gewesen war, in Bea Cathers Farmhaus, da draußen inmitten von Weideland. Und während ich ihn auf die Wange küsste, raunte ich ihm ins Ohr: »Pass auf dich auf.«
    Ich weiß nicht, warum ich plötzlich so traurig wurde, aber so war es. Es fühlte sich auf einmal so an, als gäbe eskeinen Ort, der weiter weg von Wisconsin war, als New York. Als er uns zuwinkte und zu einem anderen Tisch weiterging, lächelnd dort stand und über diesen oder jenen Witz lachte, da dachte ich: Vielleicht sind wir ja eine Last für ihn, vielleicht ziehen wir ihn ja zu Boden – wie Bleigewichte. Vielleicht muss er einfach Abschied von uns nehmen.
    Ich schaute an meinem Kleid herab, an Felicias wunderschönem Kleid um meinen Körper, den ich auf all den Meilen, die ich auf den Straßen in der Nähe unseres Hauses gelaufen war, gestählt hatte – und plötzlich war das der einzige Ort, an dem ich sein wollte: wieder zu Hause. Ich dachte an die Kinder, wie sie an einem Sonntagmorgen in unser Bett krabbeln, oder an die Sonntage, an denen sie das nicht tun, an denen Henry und ich alleine sind und zuschauen, wie das eben erst hervorgekommene weißgelbe Sonnenlicht die Spitzengardine entflammt. Ich dachte an die schwarzen Felder draußen vor dem Fenster, wenn hier und da das erste Grün hervorbricht und sie dann jeden Tag grüner werden; an die Trauertauben, die auf den Telefondrähten und auf der Spitze unseres Silos sitzen und gurren; und an all diese Männer, Henrys Freunde, die einfach unangekündigt bei uns vorbeischauen, unsere Kinder mühelos durch die Luft wirbeln und sich um unseren Küchentisch drängeln, um ein Stück Kuchen zu essen und eine Tasse Kaffee zu trinken. Ich dachte an die Giroux-Zwillinge, wie sie um Henry herumstehen, als wollten sie ein Football-Huddle bilden, und mit ihm über die Aussaat oder ihre Traktoren sprechen, über den Regen und die Erosion, laut und selbstbewusst, wie zwei Männer, die den Ort niemals verlassen hatten und es auch nie tun würden. Zwei Könige, die sich ein Königreich teilten. Ich musste lächeln, in dem Moment, als ich an sie dachte. Und ich dachtean den dicken Eddy Moffitt, wie er schwerfällig die Hauptstraße entlangschlurft, die langsam vorbeifahrenden Autos freundlich angrinst und ihnen auf den Kofferraum klopft, wie er sich die Hose hochzieht, nur damit sie im nächsten Moment wieder nach unten rutscht, unter den großen, fleischigen Vorbau seines Bauches. Eddy, wie er in der Kirche aus der Bibel vorliest, mit seinem vollen, großzügigen Bariton, jener Art von Stimme, von der man sich als Kind wünscht, sie würde einem Gutenachtgeschichten vorlesen. Eddy, wie er über die beiden Halbmonde seiner Lesebrille hinweg in das Kirchenschiff schaut. Wie er sanft seine Bibel schließt und sagt: »Soweit die Worte der heutigen Lesung.« Oder Ronny. Ronny, wie er durch die Straßen von Little

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