Shotgun Lovesongs
einmal.
»Es ist nur – mir läuft die Zeit davon, verstehst du?«
»Ich verstehe.«
Sie nahm einen weiteren tiefen Schluck aus ihrem Bierglas. »Herrje. Und jetzt haben wir nur über mich geredet. Ich lade dich in die Bar ein und du musst dir den ganzen Nachmittag mein Gejammere anhören. Pfui. Was ist mit dir? Wie geht es euch so? Wie geht’s den Kindern?«
Ich schaute wieder auf meine Hände.
»Wunderbar«, sagte ich, schaute hoch und nickte. »Allen geht’s wunderbar. Du weißt schon, immer die alte Leier.«
...
Unsere Kinder schienen nichts von der ganzen Sache zu bemerken. Das muss man wohl Henry zugutehalten. Er mag mich zwar gehasst haben, jetzt immer noch hassen, aber er konnte es gut verbergen. Er ging sogar besser mit den Kindern um als jemals zuvor. An den Wochenenden stand er früh auf, buk Pfannkuchen oder Waffeln und sorgte dafür, dass die Kinder sich fertig machten. Und fast noch bevor ich wusste, was geschah, hatte er sie zur Tür hinausgescheucht. Wenn ich mir dann, noch im Schlafanzug und ungewaschen, den Schlaf aus den Augen rieb und fragte: »Wo fahrt ihr denn alle hin?«, antwortete er: »Nach Eau Claire. Ich dachte, wir könnten vielleicht ins Holzfällermuseum gehen. Das haben wir schon lange nicht mehr getan. Vielleicht bei Chicken Unlimited Mittag essen. Uns einen Film anschauen.«
»Äh, kann ich mitkommen?«, fragte ich dann.
»Ach nee«, antwortete er. »Entspann dich. Bleib hier. Schlaf dich aus. Lies was. Wir sind nachmittags wieder zurück.« Und dann schloss er die Tür hinter sich und sie waren weg. Ohne ein Winken, ohne einen Abschiedskuss, nichts. Plötzlich waren da nur noch ein großes leeres Haus und ein Stapel Geschirr in der Spüle.
Das passierte nur zwei, drei Mal, aber es wurde mir klar, dass ich ihn immer mehr verlor, dass ich allmählich die Kontrolle über meine Familie verlor. Also schritt ich zur Tat, als ich eines Morgens in der Woche vor Weihnachten aufwachte und spürte, dass er im Begriff war, unser Bett zu verlassen. »He«, sagte ich, »komm zurück.«
»Nein«, sagte er. »Ich bin wach. Ich wollte gerade runtergehen. Kaffee kochen. Vielleicht mach ich auch ein paar Omeletts.«
Ich stand auf, ging zu ihm, küsste ihn, drückte ihnzurück aufs Bett, küsste seine Schultern, seine Ohren, fuhr mit meinen Fingern durch die Haare auf seiner Brust, an seinem Bauchnabel entlang bis hinunter zu seinem Schwanz. Schlief mit ihm, flüsterte ihm Dinge ins Ohr, die ich nicht erzählen kann, nicht erzählen will, befahl ihm, was er mit mir machen sollte, und dann, als wir fertig waren und keuchend im Bett lagen, während das bleiche Morgenlicht langsam das Zimmer erhellte, da sagte ich es einfach, ergriff meine Chance und sagte es:
»Baby, es tut mir leid. Es tut mir wirklich unendlich leid. Ich hätte es dir erzählen müssen. Ich hätte es dir vor zehn Jahren erzählen müssen. Vor fünf Jahren.«
»Da hast du verdammt recht«, sagte er und stützte sich auf einem Ellbogen ab. »Wie denkst du –«
»Halt den Mund«, sagte ich. »Okay? Halt den Mund. Du läufst hier seit Wochen durch die Gegend und schmollst und das verstehe ich ja auch, aber ich versuche hier, mich zu entschuldigen. Okay? Also halt den Mund, verdammt noch mal, und gib mir die Gelegenheit, mich zu entschuldigen.« Ich holte tief Atem, setzte mich auf und schaute ihn an. »Wir waren damals nicht mal verheiratet. Es ist ein einziges Mal passiert. Ein einziges Mal.«
»Das muss ja eine ziemlich tolle Nacht gewesen sein.«
»Ich liebe ihn nicht. Ich liebe dich . Du bist mein Mann und ich liebe dich.«
Er schüttelte den Kopf. »Der einzige Grund, warum ich nicht die Scheidung eingereicht habe und das auch nicht tun werde, Beth, ist der, dass es tatsächlich passiert ist, bevor wir geheiratet haben. Das ist mir schon klar.« Er sog den Atem ein. »Aber es ist ein ziemlich monströses, hässliches Geheimnis, das du da mit dir rumgeschleppt hast. Verdammt! Er ist mein bester Freund. Warmein bester Freund. Okay? Ausgerechnet er. Verdammte Scheiße.«
»Ich habe einen Fehler gemacht. Verstehst du?«
Um ehrlich zu sein, vor dem Moment, als ich Henry allein in seinem Wagen sitzen sah, draußen im Dunkeln auf unserer Auffahrt, war ich mir nicht sicher gewesen, ob ich diese Nacht mit Leland tatsächlich für einen Fehler hielt. Aber jetzt tat ich es. Und wie könnte ich auch nicht? Würde ich Henry für ihn aufgeben, meine Kinder aufgeben, das, was sie in mir sahen, was sie in Zukunft in mir sehen
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