Showdown
Produktivität zu erhöhen. Wir machen die längst überfälligen Wirtschaftsreformen und flankieren diese mit Konjunkturpaketen, um sie wirksam werden zu lassen.« Das Geld dafür gab es ohnehin zu für griechische Verhältnisse sagenhaft günstigen Zinsbedingungen. Denn mit dem teuren Euro der Deutschen und Franzosen wurden auch deren niedrige Zinssätze ins Land gebracht. Während Griechenland früher völlig selbstverständlich mit Sätzen von 10 bis 15 Prozent leben musste, tauchte nun der Segen in Form von Vier-Prozent-Anleihen auf. Doch hier kommt wieder der – in Griechenland noch stärker ausgeprägte – politische Schlendrian ins Spiel. Statt sich mit unbequemen Reformen und Diskussionen den Tag zu versauen, hat man das billige Geld lieber dazu verwendet, politische Freunde, Verwandte, Bekannte und Wähler mit großzügigsten Wohltaten zu versehen. »Großzügige Wohltaten haben eine jahrtausendealte Tradition in Griechenland« (Running Gag im Radiosender SWR3).
Dass dieses Phänomen kein neues ist, zeigt eine Zustandsbeschreibung Griechenlands aus einer Zeit, in der die griechische Geschichte schon einmal aufs Engste mit der Deutschen verbunden war. So ist es doch faszinierend zu erfahren, dass die griechischen Nationalfarben Weiß-Blau aus Bayern stammen. Das ist kein Witz, sondern schlicht der Tatsache geschuldet, dass 1832 Prinz Otto von Bayern von der griechischen Nationalversammlung zum »König Otto I., von Gottes Gnaden, König von Griechenland« gewählt wurde. Und das war zu jener Zeit durchaus von anderer Bedeutung, als wenn heute Jürgen Drews zum König von Mallorca ernannt wird. Otto brachte seine Farben von der Isar mit, und den Griechen gefielen sie so gut, dass sie noch heute auf jeder Tsatsiki-befleckten Papierserviette zu finden sind.
Aus der Spätphase dieser deutsch-griechischen Liebesgeschichte stammt folgender Bericht, erschienen im »Schlei-Boten« vom 17 . Mai 1897 :
»Der griechische Staat ist arm, das ist nicht seine Schuld, aber schlimmer als seine Armut ist die schlechte Finanzwirtschaft, die im Land herrscht. Wie die Ministerien auch zusammengesetzt sein mochten, im Geldpunkt haperte es stets. Millionen und Abermillionen, die zur Verwirklichung von großen, dem ganzen Land nützenden Unternehmungen verwendet werden sollten, sind in ganz andere Taschen geflossen als in die von Ingenieuren und Arbeitern, welche die Arbeiten ausführen sollten; so sind beispielsweise bei dem Bau des berüchtigten Kanals von Korinth 80 Millionen spurlos verschwunden … Nach der Abtretung von Thessalien an Griechenland durch die Türkei zum Beginn des vorigen Jahrzehnts bis zur Vermählung des Kronprinzen Konstantin mit der Prinzessin Sophie von Preußen haben die griechischen Finanzminister es verstanden, eine 100 -Millionen-Anleihe nach der anderen einzuheimsen; große Bankfirmen im Deutschen Reich, in Frankreich und in England übernahmen bereitwilligst die Vermittlung, und alle diese schönen Beträge, die heute schon zu zwei Dritteln entwertet sind, gehen nun vielleicht ganz und gar verloren, wenn kein ernster Machtanspruch erfolgt.
Das Geld ist in Griechenland direkt verwirtschaftet, denn irgendwelche nennenswerte Verwendung im Landesinteresse ist nicht erfolgt. Auch für militärische Zwecke ist nicht viel übrig geblieben. Man hat die geliehenen Summen in der Hauptsache zur Bestreitung der laufenden Staatsausgaben verwendet, die doch von den Steuerzahlern gedeckt werden müssen. Im modernen Hellas besteht aber der allerliebste Brauch, dass die Anhänger des jeweiligen Ministerpräsidenten und seiner Leute es als ein schönes Vorrecht betrachten, so wenig wie möglich oder, besser noch, gar keine Staatssteuern zu bezahlen. Da Griechenland so ziemlich zwei Ministerien pro Jahr hat, kann man sich nun ausrechnen, wie viel eigentlich von den Steuern, die gezahlt werden sollen, wirklich gezahlt werden. Welche zarte Besorgnis die Minister für ihre Wähler hegen, ergibt die Tatsache, dass jedes Ministerium ohne Besinnen für die Kürzung der Zinsen der ausländischen Besitzer griechischer Staatspapiere gestimmt hat; während sie den inländischen Inhabern weiter gezahlt werden.
Griechenland hat damit renommiert, es würde allen seinen Gläubigern gerecht werden, wenn es Kreta behalten dürfte. Das ist eine Redensart; in einem Griechenland, in welchem der Bazillus des Größenwahns wütet, wird erst recht gestohlen auf Staatskosten. Um der liederlichen Wirtschaft ein Ende zu machen, kann nur
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