Showdown
angewiesen, Geld lockerzumachen und den Blauen Brief aus Brüssel unter »unliebsame Bettelbriefe« abzulegen.
Die Folge war ein wirtschaftlich erstarkendes Deutschland, das die damalige Krise immer besser hinter sich ließ. Die Arbeitslosenzahlen gingen deutlich zurück, auch wenn sie besonders seit 2005 drastisch geschönt werden. (Wie das gemacht wird, vergleichen Sie bitte erneut im Buch »C(r)ashkurs«.) Heute wird Deutschland nicht mehr als der kranke Mann angesehen, sondern als der reiche Onkel, der vor lauter Geld in den Taschen nicht laufen kann und gefälligst den Rest Europas mittels Bürgschaften und Überweisungen zu retten habe. Beide Bezeichnungen waren und sind gleichermaßen lustig wie falsch. Wir sind bestenfalls der Einäugige unter den Blinden, wie ein rascher Blick mit dem einen verbliebenen Auge auf den Zustand unserer Straßen, Schulen, unseres Bildungssystem und den Flughafenneubauten offenbart.
Doch selbst diese leidlich gute Entwicklung war für Deutschland nur möglich, weil Schröder diesen Wahnsinnsmechanismus
Sparpakete/Steuererhöhungen –> Wirtschaftseinbruch –> steigende Arbeitslosigkeit –> geringere Steuereinnahmen –> schwächere Haushaltslage –> Sparpakete/Steuererhöhungen
durchbrochen hat.
Gehen wir noch wenige Jahre weiter zu den Jahren 2008 und 2009 . Die weltweite Wirtschaftskrise tobte, und Deutschland wurde aufgrund seiner großen Exportabhängigkeit – für eine starke Binnennachfrage ist die Währung ja bekanntlich zu schwach – besonders hart getroffen. Die Wirtschaftsleistung brach 2009 um 5 Prozent ein, was kurz zuvor noch niemand für möglich gehalten hatte. Gerne zitiere ich an dieser Stelle Peer Steinbrück mit seinen Worten von 2008 : »Für 2009 ist natürlich eine Abschwächung zu erwarten, aber bitte nicht wieder die typische deutsche Beschwörung einer Rezession … Wir sind nicht in einer Situation, in der wir schon wieder Krisenszenarien entwickeln müssen.« – Hoffentlich haben nicht allzu viele auf ihn gehört. Die deutsche Wirtschaft tat in dieser Phase sehr gut daran, Krisenszenarien zu entwickeln, ohne die die Lage vermutlich noch dramatischer ausgefallen wäre.
Zu diesen Krisenvorbereitungen gehörte beispielsweise das deutsche Instrument der Kurzarbeit. Hier hat der Staat Milliardensummen in die Hand genommen und den Unternehmen einen Teil der Löhne bezahlt. So war es den Firmen möglich, von Entlassungen abzusehen. Die Mitarbeiterstruktur der Unternehmen blieb erhalten, die Arbeiter und Angestellten erhielten weiter Lohn und mussten den Gürtel nicht allzu eng schnallen. Mit dem ersten Wiederanziehen der Konjunktur konnten die deutschen Unternehmen sofort wieder voll produzieren, da es kein Problem war, die auf Staatskosten geparkten Arbeiter zu reaktivieren. Man musste nicht erst langwierig neue Mitarbeiter einstellen und anlernen. Aber das war nur deshalb möglich, weil der Staat in dieser Situation
eben nicht
sparte, um den Haushalt zu konsolidieren, sondern Geld in die Hand nahm, um Bürger und Industrie zu entlasten.
Doch damit nicht genug. Unsere Politiker erklärten uns damals, es sei der größte Fehler, wenn wir in diese Krise hineinsparen würden. Wir müssten unbedingt die Konjunktur ankurbeln. Dafür haben wir Konjunkturpakete geschnürt. Erinnern Sie sich noch an die Abwrackprämie? Wir haben funktionierende Autos auf Kosten des Staates zerstört, um neue Autos zu bauen. Kosten: Fünf Milliarden Euro. Wie pervers kann ein Konjunkturpaket noch werden? Nur einen Schritt weiter wäre die Idee gewesen, Fensterscheiben einzuwerfen, um hernach neue einzusetzen. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht sogar irgendwer darüber nachgedacht hat.
Uns war klar: Würde der Staat jetzt nicht massiv Geld ausgeben, wäre das die Katastrophe für die deutsche Wirtschaft und seine Bürger. Dadurch wuchs das deutsche Defizit (Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen) auf 77 Milliarden Euro. Es gab zwei große Konjunkturpakete. Kreativ, wie Beamte sind, nannte man sie … Trommelwirbel … Konjunkturpaket I und Konjunkturpaket II !
In beiden war ein ganzer Blumenstrauß an bunten Maßnahmen aller Art enthalten. Hauptsache, es würde die Wirtschaft ankurbeln. Sonderdarlehen mit Zinsvergünstigung, Befreiung von der Kfz-Steuer bei Neuwagenkäufen, Infrastrukturinvestitionen und Baumaßnahmen aller Art für Kommunen. Da wurden die abenteuerlichsten Projekte finanziert. Legendär war beispielsweise der Umbau des Karl-Liebknecht-Stadions
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