Showdown
Kombination aus EU -Abgeordnetem und Lobbyist in Personalunion schien ihm eine ideale Mischung zu sein. In dem mit versteckter Kamera aufgezeichneten und inzwischen veröffentlichten Gespräch erklärte er stolz, inzwischen sechs Auftraggeber zu haben, die ihm mit sechsstelligen Summen seine Dienste honorierten. Die Journalisten gaukelten ihm vor, ähnliche Absichten zu haben, und ließen ihn unter anderem Änderungen bei geplanten Richtlinien im Anlegerschutz bei den entsprechenden EU -Stellen einbringen, was Strasser auch tat und mit Nachdruck durchzusetzen versuchte.
An dieser Stelle schimmert auch wieder Hoffnung hervor. Seine Kollegen, die er zu manipulieren versuchte, haben sich seinem Ansinnen verweigert. Die englischen Journalisten deckten den ganzen Skandal schließlich auf und offenbarten, dass sie insgesamt 60 Abgeordnete des EU -Parlamentes angesprochen hätten, von denen nebst Strasser noch ein Rumäne und ein Slowene auf das Angebot eingegangen waren. Jeder Einzelne ist einer zu viel, aber die 57 Abgeordneten, die nicht darauf eingingen, sollten uns Hoffnung machen, dass das EU -System nicht völlig korrupt und der Lobby erlegen ist. Hier gilt es anzusetzen und diese große Zahl der Anständigen zu unterstützen und ihnen im Kampf gegen kriminelle Machenschaften, aber auch gegen das ganz legale Übergewicht der Lobby zu helfen. Strasser gab im März 2011 seinen Sitz im Europaparlament auf. Am 14 . Januar 2013 wurde er in erster Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt. Da er in Berufung ging, ist das Urteil bei Drucklegung dieses Buches noch nicht rechtskräftig. Dennoch sollte dies ein lauter Warnschuss für andere, potenziell gefährdete Abgeordnete sein. Hier liegt auch die Chance für die EU -Kommission, harte Strafen und strenge Kontrollen als unbedingte Grundlage für die Vertrauensbildung der Bürger in die europäischen Institutionen zu implementieren.
Doch bei all diesen erschreckenden Beispielen darf man nie vergessen, dass es sie immer noch in großer Zahl gibt, die Abgeordneten, die mit Begeisterung und hohen ethischen Werten versuchen, ein Europa im Sinne der Menschen zu errichten. Die einen feuchten Kehricht geben auf festliche Einladungen und Lobbybetüttelungen. Einige von ihnen haben unlängst einen lauten Hilferuf ausgestoßen. Im Sommer 2010 wandten sich 22 EU -Abgeordnete aus dem Finanzbereich, die den verschiedensten Parteien angehörten, mit einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit.
Wir, die für die Regulierung des Finanz- und Bankensektors verantwortlichen Abgeordneten, rufen daher die Zivilgesellschaft ( NGO , Gewerkschaften, Akademiker, Think-Tanks …) auf, eine oder mehrere Nichtregierungsorganisationen zu bilden, um eine Gegenexpertise zu den auf den Finanzmärkten durch die wichtigsten Marktteilnehmer ausgelösten Vorgänge zu entwickeln (Banken, Versicherungsgesellschaften, Hedgefonds, …) und diese Erkenntnisse effizient über die Medien zu verbreiten.
Als Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher politischer Familien können wir durchaus unterschiedlicher Meinung sein, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.
Wir sind uns jedoch über die Notwendigkeit einig, die Öffentlichkeit auf die Gefahren für die Demokratie aufmerksam zu machen.
Sie warnten vor einer Gefahr für die Demokratie und riefen die Zivilgesellschaft, die NGOs, Wissenschaftler und Bürger auf, eine Gegenbewegung zu den Lobbyisten – in ihrem Falle den Banken und Finanzdienstleistern – zu schaffen, die mit allen Mitteln versuchten, eine Regulierung des Finanzsystems zu verhindern. Sie könnten vor lauter Lobby-Dauerfeuer ihrer Arbeit kaum mehr nachgehen. Die »Zeit« schreibt über die Berichte des CDU -Parlamentariers Burkhard Balz:
»Die Hedgefonds- und Private-Equity-Manager seien ›geballt nach Brüssel‹ gefahren, um mit Abgeordneten zu sprechen. ›Das war die reinste Überflutung an Terminwünschen‹, erzählt Balz aus seinem Politikeralltag. ›Manche Lobbyisten wollten mich sogar am Wochenende zu Hause besuchen.‹«
Wenn Politiker schon um Hilfe rufen, weil die Einflussnahme so stark ist, dass sie das bisschen Demokratie, das Europa noch hat, gefährdet, ist es höchste Zeit, mit dem Hammer dazwischenzufahren. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass jede gesellschaftliche Gruppe ihre Interessen und Gedanken beim letztlich entscheidenden Politiker vorbringen kann, damit dieser eine vernünftige Abwägung vornimmt. Auch ein Richter muss beiden Seiten zuhören und sich bei
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