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Showtime! (German Edition)

Showtime! (German Edition)

Titel: Showtime! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Kettler
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dass er ein Gentleman war.
    Ein sonst verlässlicher Kunde, für den sie aus riskanter Quelle Dope besorgt hatte, war feige abgesprungen und hatte sie auf der Ware sitzen lassen. Zu allem Übel hatte sie auch noch Sheila absagen müssen, die ihr so etwas sehr übel nahm.
    Georgia hatte es vorgezogen, sich allem, was nervte, zu entziehen, indem sie sich mit Speed vollknallte und die V-Max mit zweihundert Sachen über die Avus jagte, um den Kopf frei zu bekommen und sich durch die Konfrontation mit dem schnellen Tod daran zu erinnern, dass sie überhaupt noch lebte. - Ein Gefühl, das ihr dann und wann völlig verloren ging.
    Aus ihrer Verzweiflung heraus resultierten oft irrwitzige Aktionen, die niemand begreifen konnte, am wenigsten sie selbst. Sie kletterte aus dem Sonnendach eines fahrenden Autos, um vom Dach aus den anderen Autofahrern zuzuwinken. Sie hangelte sich unter Bahnbrücken von Stahlstreben zu Stahlstreben, bevorzugt dort, wo darunter befindlicher, reger Fahrzeugverkehr im Falle eines Sturzes ihren sicheren Tod bedeutete. Ein haarnadelscharfer Balanceakt mit dem Motorrad an der Böschung des Kanals war für sie nichts weiter als ein kleiner, halsbrecherischer Spaß, mit dem sie die Kumpel beeindrucken konnte. Überhaupt übten lebensgefährliche Aktionen ihren besonderen Reiz auf sie aus.
    Es schien, als drehte sie in solchen Momenten einfach durch, ganz plötzlich, und es war wohl nur ihrem Tag und Nacht im Einsatz befindlichen, fleißigen Schutzengel zu verdanken, dass sie überhaupt dreißig Jahre alt geworden war. Gelegentlich hatte sie Verletzungen davongetragen, doch das störte sie nicht. Schmerzen bedeuteten für sie, ein kleines Stück Lebendigkeit zurückzugewinnen, wenn sie glaubte, sich zu verlieren, wenn sie ihren Körper nicht mehr zu spüren vermochte.
    Die nächtliche High-Speed-Fahrt hatte sie wieder zu Verstand gebracht, als sie diese kalte Leere in sich aufsteigen fühlte. Aber da war sie bereits auf dem Weg nach Hamburg gewesen. Sie war abgehauen, zwei Wochen lang unterwegs, ohne dass jemand wusste, wo sie war und wann sie zurückkommen würde.
    Zurückgekehrt von ihrer Flucht wartete die Notwendigkeit, ihre Fehler wieder auszubügeln: Siggi gnädig zu stimmen, Kim einen neuen Deckenfluter zu kaufen, der ihren Ausbruch nicht überlebt hatte, und wieder einmal vor ihr zu Kreuze zu kriechen; das Dope zu verticken, um die Ausgaben zu ersetzen; sich etwas Bahnbrechendes einfallen zu lassen, das Sheila versöhnte. - Und last but not least: Sabrina Sommerfeld zu erklären, dass die Alzheimer Krankheit sie von Zeit zu Zeit heimsuchte, denn ihre Verabredung hatte keinerlei Priorität gehabt.
     
    Gleich im Anschluss ihres Besuches bei ihr und der Wiedergutmachung in Form des Beistandes traf sie Siggi bei einem Bier im Irish Pub.
    Besseren Wissens zum Trotz sprach er erneut das Thema ihres Streits an, nämlich das Wohnproblem. Es passte ihm nicht, dass Georgia bei Norbert wohnte, der für seine Drogenexzesse bekannt war. Da wurde halt mal gebased zwischendurch, oder es wurden exzessive Partys gefeiert, bei denen Drogen zum guten Ton gehörten.
    «Ich rauche mal was mit» räumte Georgia um des lieben Friedens Willen ein, «aber da ist doch auch nichts bei ... nur ein bisschen Rauchen, das ist alles.»
    Siggi glaubte ihr kein Wort, auch wenn er es gern getan hätte. Sein wissender Blick forderte sie aufs Neue heraus, auch wenn sie es nicht wollte. «Hör zu» erklärte sie beherrscht, «es ist mein verschissenes Leben, okay? Ich wohne, wo es mir passt - wenn ich erinnere das: wir haben diese Sache längst geklärt!»
    «Nicht bei Norbert» wandte er ein. «Versprich es mir, Georgia.»
    «Fuck this! Penn' ich halt unter eine Brücke!» platzte sie heraus. «What the heck ... denkst du, das macht mir was aus? Down Under habe ich den Schlafplatz mit wilden Kötern und Ratten geteilt, na und? Das verbindet irgendwie. - Die will auch keiner.»
    Siggis aufsteigender Ärger über ihre Kaltschnäuzigkeit verflog so schnell, wie er gekommen war, mit ihrer letzten, sarkastischen Äußerung. Sie war in schlechter Verfassung, mitten drin in einer ihrer 'Phasen', wie er es nannte, wenn sie kratzbürstig war und verschlossen, wenn sie sich selbst gnadenlos durch den Kakao zog und sich nicht verzeihen konnte, dass es sie überhaupt gab. - Und wenn Bemerkungen über ihre Vergangenheit fielen.
    Sie schwiegen minutenlang. Georgia nahm tiefe, energische Züge aus der Zigarette, wie immer, wenn sie, wie jetzt,

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