Showtime! (German Edition)
ihre fremde, exotische Atmosphäre - faszinierte und stieß sie in gleichem Maße ab.
Sabrina massierte sich angespannt die Schläfen, verschwendete unnötig Mühe darauf, zu sortieren, halbwegs verarbeiten zu wollen, was geschehen war.
Es war kein Schock in dem Sinne gewesen, dass sie es nicht schon hätte ahnen können. Sie hatte sich bei Georgia für die Schauspielerin entschieden, weil sie in das Bild der Frau passte, die ihr imponiert hatte. Ein bisschen verrückt, anders, aber: annehmbar. Die rebellische, mutstrotzende, verruchte Joanna, die sich ihr beim Kennen lernen unter diesem Namen auch vorgestellt hatte, diente anscheinend als Schutzschild. Sie stand in Abwehrhaltung vor Georgia, der sensiblen Künstlerin, der liebenswerten Optimistin, deren Charisma und unerwartete Zärtlichkeit sie bezaubert hatten.
Was sollte sie jetzt mit ihrem Wissen anfangen? Wie sollte sie ihr gegenübertreten, jetzt, wo sie wusste, wer und was Georgia war, nämlich eine Blenderin, jemand, der sein wahres Ich vor Anderen zu verbergen versuchte? Sie war sozusagen zu zweit. Und womöglich hilflos gefangen, irgendwo in der Mitte ihrer beiden Extreme.
Naomis leises: «Hey!» ließ Sabrina aus ihren Gedanken aufschrecken. Sie blickte auf, lächelte verzagt und fragte: «Schläft sie?»
«Ja. Wie ein Baby.»
«Kann ich dir einen Kaffee anbieten?»
«Gern.» Naomi nahm Platz und Sabrina vorsichtig in Augenschein. «Ich bin Naomi. Eine Kollegin.»
«Sabrina.» Sie reichten sich kurz die Hände.
Naomi duftete nach Azzarro. Sie war sehr gut angezogen und auf markante Weise hübsch. Sie sprach perfekt Deutsch, mit einem kaum wahrnehmbaren, undefinierbaren Akzent. Ihre schwarzen Augen verrieten Offenheit und freundliches Interesse. Man sah ihr an, dass sie intensiv lebte und Lebenserfahrung besaß, die wahrscheinlich für zwei reichte.
«Seid ihr zwei zusammen?» fragte sie Sabrina unverblümt.
«Wie? Nein. Sie ist nur... eine Freundin.»
«So?» Naomi nahm die Tasse Kaffee entgegen. «Schöne Wohnung. Deine?»
«Ja.»
«Schon klar. Sie ist untergekommen bei dir, mh? Na ja, Manuel hat sie ja früher schon regelmäßig vor die Tür gesetzt. - Ist sie noch mit ihm verheiratet?»
«Verheiratet?» wiederholte Sabrina perplex. «Georgia ist verheiratet?»
«Georgia?» wunderte sich nun Naomi. «Sie heißt Georgia? Wusste ich gar nicht. Solange ich sie kenne, heißt sie Joanna.»
«Ich wusste nicht, dass sie verheiratet ist.»
«Pro forma ... sie ist Ausländerin, Schätzchen» erinnerte Naomi. «Wie sonst hätte sie in Deutschland bleiben können? Sie hat aber den anderen Pass behalten, hat beide, den deutschen und den australischen. - Manuel hat sogar ihren Namen angenommen, soweit ich weiß.» Sie nippte vorsichtig an ihrem Kaffee und präsentierte beim Lächeln herrliche Zähne. «Mann, das war die Party des Jahrzehnts! Wir haben drei Tage durchgefeiert. Die halbe Gay-Szene der Stadt war dabei. - Ihr kennt euch wohl noch nicht so lange... sie hat mir diese Adresse hier gegeben und gesagt, sie will zu dir - vielleicht wundert sie sich nachher, wie sie hierher kommt.»
Sie schwiegen einen Moment.
«Hätte nicht gedacht, dass so was hier ihre Umgebung ist» sagte Naomi dann mit interessiert herum schweifendem Blick. «Damals hatte sie eine Bude in Kreuzberg. Eine Matratze drin und ein paar Kisten zum Drauf sitzen. Bühnenklamotten überall, Kostüme, Theaterschminke und so ein Zeugs. Richtig gemütlich .» Sie lächelte, doch es hielt nur kurz an. «Verdammt, ich dachte, sie sei längst in London und würde Shakespeare spielen.» Ihre gepflegten, dunklen Hände umfassten die Kaffeetasse, als wärmte sie sich daran. Die langen Fingernägel waren rot lackiert und glitzerten. «Hatte lange nichts mehr von ihr gehört» sagte sie. «Dachte, sie wäre längst weg. Eine Zigeunerin wie sie bleibt doch nie lange an einem Ort... und dann ruft sie plötzlich an und fragt, ob ich im Club ein gutes Wort für sie einlegen kann. - Mist, als sie damals aufgehört hat, dachte ich, sie schafft es... »
Sabrina registrierte das Gesagte, ohne es ganz bewusst wahrzunehmen.
« ... Betrinkt sie sich immer» fragte sie vorsichtig an, «wenn sie...?»
«Meistens. Sie kann eigentlich nicht auf Männer. Aber das weißt du sicher. Ich weiß überhaupt nicht, warum sie es tut. Sie hasst den Job. Schätze, sie plant wieder irgendetwas und braucht das Geld.» Ihr fragender Blick traf auf Ahnungslosigkeit von Sabrinas Seite. «Ich kenne einige» fuhr
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