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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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verfluchten Haus. Ein Krach in der Nachbarzelle wie von einem umstürzenden Stuhl riss ihn jäh aus seinen Gedanken. War er nicht der Einzige, der nicht auferstehen wollte? Jemand fluchte. Masood, der Heide. Keine Stimme hasste er so wie seine. Er klaubte die kleine Lampe aus der Tasche und trat an Masoods Tür. Der Lichtstrahl traf den Überraschten mitten ins Gesicht.
    »Ganz allein, Heide?«, fragte er.
    Masood erstarrte vor Schreck. Er war ein Feigling ohne seine Beschützer, wie Adam stets vermutet hatte. Abschaum, der ihn nicht länger demütigen würde. Der erste Schlag seines Stocks traf den Heiden an der Schläfe. Er sackte lautlos zu Boden, als hätte er einer Marionette die Fäden durchtrennt. Der zweite Schlag zertrümmerte seinen Schädel. Der dritte brach ihm das Genick. Dann legte Adam die Waffe aus der Hand, packte Masood an den Schultern und schleifte ihn hinaus. Am Geländer hob er ihn ohne Anstrengung auf wie einen Sack Kartoffeln und schleuderte ihn in den Abgrund.
     
    Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!
     
    Er ging zurück in Masoods Zelle. Im Dunkeln wischte er seine Fingerabdrücke mit dem Handtuch des Heiden vom Stock, bevor er ihn dem Toten hinterher warf. Dann erst zündete er die Taschenlampe an, um nach dem Handy zu suchen. Er kannte die üblichen Verstecke für Schmuggelware und fand das Telefon in einer Plastiktüte im Spülkasten. Er sparte sich die Mühe, es auszupacken. Stattdessen warf er es auf den Boden und zertrat es wie eine Kakerlake. Er tat es gründlich. Mit jedem Tritt atmete er auf. Als nur noch ein Häufchen Scherben, Plastiksplitter, nackte Drähte und verbogenes Blech am Boden lag, fühlte er sich befreit, als wäre seine Seele in dem Gerät gefangen gewesen. Jetzt bestand keine Gefahr mehr, dass Masood die Wahrheit über ihn verbreitete, die Wahrheit im Speicher seines verfluchten Handys. Die Wahrheit, die niemand in dieser Hölle verstehen würde und ihn zum Freiwild gemacht hätte, zum würdelosen Objekt, an dem sich jeder nach Lust und Laune austobte. Nein, Masood würde ihn nicht länger erpressen mit dem Wissen über das, was er getan hatte, was er hatte tun müssen. Für die andern blieb er ein normaler Totschläger. Nie wieder müsste er, aus Angst, das könnte sich ändern, den Boten bei der Putzkolonne spielen, der Kondome voller Dope und ganze Handys im Arsch vom Besucherklo in den Block schmuggelte. Erleichtert kehrte er in seine Zelle zurück, kniete nieder und dankte dem Herrn.
     
    San Francisco, Kalifornien
     
    Jen schielte zu Jezzus hinüber. Er saß stumm am Steuer seines ›Ford–F‹, Baujahr und Farbe unbekannt. Die Lust auf zynische Kommentare war ihm vergangen. Sein Habanero-Gesicht drückte blanken Ärger aus. Menschlich, aber unlogisch , dachte sie. Was erwartete er nach zwei Tagen und Nächten Ausnahmezustand? Eineinhalb Stunden für die kurze Strecke durch Oakland war keine üble Zeit, wenn man berücksichtigte, dass Nimitz und MacArthur und praktisch alle Straßen dazwischen gesperrt oder mit Müll und liegengebliebenen Fahrzeugen verstellt waren und sie eine Zusatzschleife über Piedmont machen mussten, um auf die Brücke zu kommen. Es ging nur im Schritttempo voran, aber immerhin näherten sie sich Yerba Buena in der Mitte zwischen Oakland und San Francisco. Sie wunderte sich höchstens über den dichten Verkehr, der trotz des Chaos, das überall herrschte, immer noch irgendwie floss. Eine halbe Meile nach der Insel war es damit vorbei. Sie standen auf der Bay Bridge, eine Fahrzeugkolonne vor ihnen, vier Kolonnen neben ihnen, ein Kühllaster hinter ihnen, dessen Gebläse sie durch die geschlossenen Scheiben und den Lärm ihrer eigenen Klimaanlage hörten.
    »Ich sehe mal nach«, sagte sie und sprang aus dem Pick–up.
    Vier oder fünf Wagen weiter vorn hatte sich ein Grüppchen Leute versammelt, die aufgeregt diskutierten und dabei eindrücklichen Körpereinsatz zeigten. Aus den Wortfetzen schloss sie, dass etwas Unerhörtes im Gange war.
    »Verdammt, wo bleibt die Polizei?«, rief einer.
    Im selben Augenblick peitschte ein Schuss über ihre Köpfe hinweg. Metall splitterte und ein Querschläger schwirrte heulend übers Wasser. Das Grüppchen löste sich auf wie eine platzende Seifenblase. Autotüren knallten zu, und sie stand allein auf der Straße. Bis auf die Bande, die gerade dabei war, die Fernseher vom gekaperten Transporter in ihre Vans umzuladen und dafür die

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