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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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erinnerst.«
    Sie spürte wie immer keine Lust zu essen, aber ein paar Kalorien würden auch ihr nicht schaden. Der Coffeeshop in San Leandro hatte dichtgemacht wie die Kneipen in San Francisco, an denen sie bisher vorbeigefahren waren. Sie brauchten noch gut zwei Stunden Geduld, bis sie am Mission Boulevard bei Fremont eine Tankstelle fanden, vor der sich die Autos stauten. Die Sonnenzellen auf den Dächern der Betriebsgebäude und des Wohnhauses und das Windrad am Rand des Parkplatzes erklärten, weshalb die Zapfsäulen und die Kasse hier noch funktionierten.
    »Tagsüber sind wir unabhängig vom Netz bei diesem Wetter«, antwortete die Frau hinter dem Ladentisch sicher zum hundertsten Mal. »Nachts reichen Wind und Batterien gerade für die Kühlung.«
    »Gute Planung«, lobte Jezzus.
    »Na ja, endlich zahlt sich das Hobby meines Mannes aus.«
    »Kann ich von meinen Hobbys nicht behaupten.«
    Welche er damit meinte, ließ er offen. Er hatte seinen Korb vollgestopft mit Softdrinks, Tiefkühlpizzas und anderen Fertiggerichten und wollte zahlen.
    Jen schüttelte den Kopf. »Willst du das Zeug auch an der Sonne auftauen?«
    »Nein, in der Mikrowelle.«
    Er verstand offensichtlich nicht. »In diesem Fall kaufst du am besten das Windrad dazu.«
    Sein Gesicht lief rot an. Gleich würde er auf eine Habanero beißen, doch dann stellte er den Korb entschlossen der Kassiererin hin. »Wir finden schon eine Stromquelle«, grinste er.
    Jesus sättigte fünftausend Mann mit fünf Broten und zwei Fischen. Warum sollte Jezzus nicht Mikrowellenfutter für fünf Hacker ohne Strom zustande bringen? Sicherheitshalber legte sie noch die letzten paar Äpfel und Birnen dazu, die sie finden konnte – und die ›Post‹. Die Schlagzeile besetzte die halbe Titelseite wie eine fette Aga-Kröte: Das Ende?
    »Das Ende des Revolverblatts?«, spottete Jezzus.
    »Freu dich nicht zu früh.«
    Sie fädelten sich wieder in den Verkehr Richtung Norden ein, und sie begann zu lesen. Die hysterischen Reportagen über das Schicksal von Betroffenen ließen sie kalt. Betroffen waren sie alle und Panik zu schüren mochte zwar der Zweck des Blattes sein, aber unter den gegebenen Umständen das Letzte, was eine Zeitungsredaktion tun sollte. Sie interessierte sich nur für eine Sache: Gab es auch nur den kleinsten Hinweis auf die Verbindung von ›CGO‹ zu ihrer Arbeit? Die Truppe in der Fabrik legte stets größten Wert auf Anonymität. Die Wahrscheinlichkeit, als Autoren des Berichts an Ward entlarvt zu werden, war äußerst gering. Aber sie wusste genauso gut wie ihre Kollegen: Gering bedeutete immer noch größer als null. Wie erwartet bestanden die Artikel in der Zeitung im Wesentlichen aus Bildern. Text brauchte sie nicht viel zu lesen, doch sie tat es langsam und gründlich.
    »Und«, fragte Jezzus nach einer Weile.
    »Bis jetzt nichts.«
    Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Er wusste genau, was sie suchte. Nach dem zweiten Durchgang legte sie das Blatt erleichtert weg. Sie fuhren am Stadion vorbei, am ›Starbucks‹ ohne Gäste, am leeren Parkplatz des Einkaufszentrums. Ihre Odyssee näherte sich dem Ende. Die Sonne stand tief über dem Horizont, als Jezzus den Pick-up bei der Fabrik parkte. Etwas stimmte nicht. Sie sah Licht in ihren Fenstern, das keine Reflexion sein konnte.
    »Wir haben Strom«, staunte sie.
    »Sag ich doch«, lachte Jezzus. »Meine Anleitungen sind eben Spitze.«
    »Was heißt das im Klartext?«
    »Mikes alte Karre, zwei Autobatterien, ein Wechselrichter und ein Trafo in Serie ergeben einen ganz brauchbaren Generator. Bis das Benzin ausgeht.«
     
    San Leandro, Kalifornien
     
    Niemand hatte gebastelt, wie Jen bald feststellte. Sie verdankten die luxuriöse Stromversorgung, die sogar bis zu den Jacksons reichte, allein Mikes Überredungskunst, mit der er den Gelegenheitskauf des Generators auf ein erträgliches Preisniveau herunter gehandelt hatte. Er war kein Handwerker. Jezzus' Bastelanleitung hatte er umgehend entsorgt und sich auf die schwierige Suche nach einem brauchbaren Notstromaggregat gemacht. Er war der Schnorrer der Truppe. Zu seinen Spezialitäten gehörte ›Social Engineering‹, die Kunst, durch geschickte Fragen und Täuschung an Informationen zu gelangen. Damit knackte er manchmal Passwörter und Zugangscodes schneller als Emma mit ihren ausgeklügelten Algorithmen.
    Jezzus ging ohne Umweg zur Mikrowelle. Jen setzte sich an ihren Computer. Die Verbindung zum Archivserver war unterbrochen. Sie blickte zum Regal

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